„Alles fließt und ist miteinander verbunden“

Seit Apple das iPad auf den Markt gebracht hat, sind gerade mal zwei Jahre vergangen. Fast täglich werden Ableger von Zeitungen und Magazinen für das Tablet gelauncht. Und längst sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt. Entsprechend ungebrochen ist der Pioniergeist der App-Macher – oft jedoch noch ohne klare Qualitätskriterien. Wir sprachen mit Johannes Henseler, Blogger und Preisträger des Adobe MAX Award 2011 in der Kategorie Digitales Publishing.

Was macht ein gutes Tablet-Magazin aus?

Ein Tablet-Magazin sollte den Print-Gedanken grundsätzlich hinter sich lassen und alle damit verbundenen Begrenzungen auflösen. Denn beim Tablet bewegen wir uns im digitalen Raum mit all den damit verbundenen Möglichkeiten. Einen besonderen Mehrwert haben dabei natürlich alle Funktionen, die Interaktion mit dem Medium ermöglichen. Gute Magazin-Apps, wie beispielsweise der Guardian oder Business Week schaffen es, ihren Content mit entsprechenden Funktionalitäten sinnvoll zu verbinden.

Wie erreicht man die richtige Balance zwischen Form und Inhalt? Bei vielen Magazin-Apps hat man das Gefühl, dass sie auf der Suche nach immer ausgefalleneren Ideen den Inhalt vernachlässigen.

Was nicht zuletzt auch mit der Erwartungshaltung der Leser bzw. User zu tun hat. Viele verlangen nämlich genau das: Ein Feuerwerk an Funktionalität. Dazu trägt auch bei, dass die User es von anderen Apps gewöhnt sind, viele Funktionen interaktiv zu bedienen. Entwickler stehen daher vor der Herausforderung, diese Erwartungshaltung mit klassischem Magazin-Content zusammenzubringen. Im Falle des Guardian oder auch des BMW-Magazins halte ich das für sehr gut gelungen. Außerdem haben wir es beim Tablet-Publishing ja mit einem sehr jungen Medium zu tun, in dem wir als Designer in einem fortlaufenden Prozess sind, und die Vielzahl an Möglichkeiten ständig neu ausloten…

…und dabei auch übers Ziel hinausschießen.

Manchmal hat man tatsächlich den Eindruck, dass weniger mehr ist. Letztlich sollte bei der Konzeption immer der Gedanke leitend sein, einem bestimmten Content eine sinnvolle mediale Form zu geben. Und dieses klassische Dilemma zwischen Form und Inhalt gibt es ja auch im Print-Bereich: Entweder man stellt das Design in den Vordergrund und nimmt dafür den Inhalt zurück, oder umgekehrt. In der Welt des digitalen Publishings kommt jetzt noch eine dritte Dimension hinzu: Interaktivität. Damit schaffen wir es, Dinge erfahrbar zu machen und sie intensiver darzustellen. Das macht die Konzeption eines Magazins aber in gewisser Hinsicht noch schwieriger, weil man sich nun zwischen diesen drei Polen entscheiden muss.

Warum nicht in allen drei Dimensionen ein Maximum rausholen?

Ich bin der Meinung, dass ein gutes Tablet-Magazin nur höchstens zwei der drei Dimensionen bedienen kann. Momentan hat es den Anschein, dass viele Magazin-Apps versuchen, in allen drei Dimensionen besonders herausragend zu sein. Die schon erwähnte Guardian-App ist aber ein Beispiel dafür, dass die Fokussierung auf zwei Dimensionen zu einem überzeugenden Ergebnis führt. Dort hat man viel Wert auf Inhalt und Funktionalität gelegt, das Design allerdings dafür etwas zurückgestellt.

Wie wird sich diese neue Lese-Erfahrung am Tablet auf die Rezeption klassischer Print-Medien auswirken?

Wir werden uns in Zukunft viel häufiger die Frage stellen, warum ein Medium gedruckt wurde wenn es auch digital umgesetzt werden könnte. Die Entscheidung für oder gegen einen der beiden Kanäle wird durch die Wahlmöglichkeit viel bewusster werden. Dabei werden wir uns immer die Frage stellen müssen, welches Medium für bestimmte Inhalte der richtige Kanal ist? Für Magazine sehe ich dabei eine große Chance im digitalen Bereich. Wohingegen Tageszeitungen mit ihrem Anspruch auf Aktualität bis heute als klassische Website am ehesten funktionieren.

Aktualität ist aber gerade für digitale Magazine ein immer bedeutenderer Faktor.

Die Idee von „einmal publizieren, nie mehr verändern“ hat das Internet ja bereits abgeschafft und gezeigt, dass alles fließt und miteinander verbunden ist. Trotzdem begegnen einem immer noch Tablet-Magazine, die wie in Stein gemeißelt daherkommen. Und das ist ein Rückschritt in die Zeit vor dem Internet. Magazin-Apps müssen heute auch ältere Inhalte mit aktuellen Inhalten ergänzen und damit relevant halten.

Was wird in Zukunft noch zu erwarten sein?

Das Tablet hat in den zwei Jahren, in denen es auf dem Markt ist, schon so viel verändert, dass es sehr schwer absehbar ist, wohin die Reise gehen wird. Technisch gesehen wird es neue Möglichkeiten der Interaktion geben. Ich denke, das Zusammenspiel von Geolocation und Content wird weiter ausgebaut werden. Ich bin aber auch sehr gespannt, welche Möglichkeiten das Thema Sprachsteuerung im Tablet-Publishing bringen wird.

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Über die Person

Johannes Henseler studierte Kommunikationsdesign an der FH Düsseldorf. Für seine Abschlussarbeit, das DONE-Magazine, erhielt er 2011 den Adobe MAX Award in der Kategorie Digital Publishing. Henseler gründete 2005 die Agentur Nordsuedesign und schreibt im seinem Blog über digitales Publishing.

Fotoquelle: Facebook

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