Martin Kahl ist Inhaber und Geschäftsführer der Hamburger Filmproduktion aussenborder.TV. Wir sprachen mit ihm über aktuelle Trends und Herausforderungen im Umgang mit Bewegtbild in der Unternehmenskommunikation.
Bilden wir uns das nur ein oder werden Filme tatsächlich verstärkt in der Unternehmenskommunikation eingesetzt?
Das ist absolut so. Im Rahmen einer digitalen Content-Strategie sind Filme unverzichtbar geworden. Social Media ist mit all seinen Facetten zum festen Bestandteil der integrierten Kommunikation geworden. Die Kunden erwarten mittlerweile, auch mit Bewegtbild-Inhalten angesprochen zu werden. Der Bedarf an Konzepten und passenden Inhalten ist deswegen hoch und wird noch weiter steigen. Unternehmen haben erkannt, dass sie mit dem Medium Film stärker emotionalisieren können, und versuchen, diesen Vorteil im Marketing für sich zu nutzen.
Welche Rolle spielen die veränderten Nutzungsgewohnheiten für den Einsatz von Videos?
Insbesondere das Smartphone hat viel verändert und tut es weiterhin. Nutzer rezipieren Inhalte immer mehr auf ihren Mobiltelefonen oder Tablets, unterwegs, aber auch zuhause. Das bedeutet für Inhalte: sie müssen schneller, kürzer, knackiger werden. Das ist manchmal keine leichte Aufgabe, insbesondere bei komplexeren Produkten. Hier hilft, „sperrige“ Themen in einzelne Episoden zu unterteilen und diese Einzelteile dann beispielsweise über Social Media zu publizieren – was sehr gut funktioniert, weil diese sequenzielle Umsetzung prima zu deren Mechanik passt.
Gibt es Themen, die besonders für eine filmische Umsetzung geeignet sind?
Das Thema sollte unterhaltsam aufzubereiten sein, eine bestimmte Botschaft in kurzer Zeit auf den Punkt bringen können und eventuell einen Spannungsbogen zulassen. Wenn man dafür eine gute Idee hat, sollte sie sich praktisch und budgetär umsetzen lassen. Bewegtbild sollte nie dröge wirken, sondern fesseln: der Mensch, das Team, die Aufgabe, das Produkt – was im Mittelpunkt steht, sollte den Zuschauer packen. Aber es muss auch nicht immer die Story sein, die man erzählt, sondern es kann auch ein hochwertig gedrehter Produktfilm ohne große Storyline sein, die schlichtweg die Schönheit des Produktes zeigt, die für sich spricht. Es hängt also immer vom Kommunikationsziel und der Zielgruppe ab, ob man Bewegtbild oder ein anderes Medium wählt.
Was dominiert? Erklärfilme, Virale Videos, Imagefilme, Interviews?
Das variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Während beispielsweise Red Bull vor allem ein Lebensgefühl kommuniziert, und versucht, einen Viralhit nach dem anderen zu landen, verfolgt BMW oder Hermes Logistik eine ganz andere Strategie, da es auch um ganz andere Produkte geht. Für Hermes Logistik haben wir beispielsweise eine Fülle von Erklärvideos produziert, die die einzelnen Versandformen erklären, und die im Netz sowie in der App auf dem Smartphone jederzeit abrufbereit stehen. Hier war also der Erklärfilm aus unserer Sicht das passende Format. Während wir Bergamont Bycicles den Kunden dahingehend beraten haben, mit den „Bergamont Teamstories“ über Teamfahrer-Porträts Geschichten zu erzählen und ein Gefühl zu kommunizieren, mit den sich die Käufer der Bikes identifizieren können.
Filme wollen mitreißen, fesseln.
Genau. Besonders eignen sich Herausforderungen, innere Konflikte der Protagonisten, Emotionen, überwältigende Bilder und besondere Perspektiven. Die Schönheit von Momenten. „Aha“-Erlebnisse, wenn Filme Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen, die auch in der Lebenswelt der Zuschauer vorkommen. Aber auch eine besondere bildliche Stilmittel oder Konzepte, die einfach und trotzdem genial sind. Die Band OK Go überrascht beispielsweise immer wieder mit außergewöhnlichen Videos, deren ein Grundidee zugrunde liegt, die konsequent umgesetzt wird. Für DB Schenker haben wir von aussenborder.TV ebenfalls eine bestimmte Mechanik benutzt, um das Sponsorship mit Martin Grubinger in einem Viralvideo zu promoten. Stringenz finde ich immer wichtig. In dem Fall hat es gar für einen German Design Award gereicht.
Jeder kennt Videos, die unfreiwillig zu negativen Viralhits wurden. Was machen Unternehmen am häufigsten falsch?
Das ist recht offensichtlich. Solche Filme – häufig sind sie im Personalmarketing anzutreffen – sind wahnsinnig unauthentisch. Aber mal ganz abgesehen davon, würde ich hier einen anderen Punkt ins Feld führen: Es ist nicht einfach, sich kurz zu halten. Das gedrehte Material begeistert, und trotzdem muss man immer wieder den Abstand wahren und Mut dazu haben, wegzulassen. Auch uns als beratende Filmproduktion fällt das manchmal schwer. Ein klassischer Fehler im Bereich Imagefilm, der in die Gleiche Kerbe schlägt, ist der Anspruch auf Vollständigkeit. Besser ist es meist, sich auf das Wesentliche zu beschränken, was bildlich gut dargestellt werden kann, und die anderen Aspekte sehr kurz abzuhandeln oder wegzulassen.
Gibt es momentan bestimmte stilistische Trends im Bewegtbild?
360-Grad-Videos stellen sicherlich derzeit einen recht prägnanten Trend dar. Bei manchen Themen und Produkten bietet die Technik wirklich einen Mehrwert – beispielsweise wenn ich mich im Innenraum eines Autos umschauen kann, während es mit atemberaubender Geschwindigkeit über eine Rennstrecke rast. Die Interaktivität reizt natürlich. In vielen Fällen ist es aber auch einfach noch Spielerei, und die User stürzen sich darauf, um es einfach auszuprobieren. Die Technik ist noch dabei, sich zu entwickeln, aber ich denke, sie wird dort, wo es Sinn macht, etablieren und noch gezielter eingesetzt werden.
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