„Bloß keine Vorstandspostille!“

Das Internet und die sozialen Netzwerke haben längst auch die interne Unternehmenskommunikation erobert. Gibt es da noch Platz für die gute, alte Mitarbeiterzeitung? „Ja“, sagt Kommunikationsexperte Lutz Zimmermann. „Sie ist das Medium für den Hintergrund und den Kontext.“

Auf der Website des Mittelstandsverbundes war die Headline „Abschied von der Mitarbeiterzeitung“ zu lesen. Stimmen Sie dieser Prognose zu?

Nein, der Spiegel verabschiedet sich ja auch nicht, weil es Spiegel-online gibt. Die Online-Medien bereichern die Unternehmenskommunikation unglaublich – zum Beispiel, was schnelle und dialogische Kommunikation angeht. Aber deswegen ersetzen sie nicht die Mitarbeiterzeitschrift. Das sind unterschiedliche Formate, die unterschiedlichen Zwecken dienen.

Welche Rolle kann die Mitarbeiterzeitschrift im gewachsenen Angebot der Kommunikationskanäle im Unternehmen spielen?

Die Online-Kanäle bedienen die schnelle Information und den schnellen Dialog, die Mitarbeiterzeitschrift ist das Medium für Hintergrund und Kontext. Mit der Komplexität der Unternehmenswelt nimmt auch die Notwendigkeit zu, Veränderungen und Entwicklungen zu erklären. Wenn es um Strategiewechsel, Kulturwandel oder zum Beispiel eine Restrukturierung geht, kann das nicht allein über interne soziale Medien vermittelt werden. Da braucht es andere Formate, unter anderem das Magazin.

Können sich die verschiedenen Informationskanäle gegenseitig befruchten?

Ja, das sollten sie unbedingt. Die Printmagazine sollten Ideen aus den sozialen Foren aufgreifen und darauf achten, dass sie innerhalb der internen Medien nicht alleinstehen, sondern mit den Online-Medien vernetzt sind. Allerdings können viele Unternehmen die Möglichkeiten der digitalen Welt in der internen Kommunikation noch gar nicht nutzen. Das hat mit Sicherheitsschranken zu tun, aber auch mit der finanziellen und personellen Ausstattung der Kommunikationsabteilungen. Nicht wenige launchen digitale Kommunikationskanäle und schaffen es dann nicht, sie vernünftig zu bedienen.

Die Rolle der Mitarbeiterzeitung hat sich also verändert. Gilt das auch für die Machart?

Magazine zitieren heute immer wieder gestalterische Elemente von Online-Medien, Texte werden kürzer, es werden mehr Leseeinstiege geboten. Außerdem müssen die Magazine neue Ansprüche an Glaubwürdigkeit erfüllen, das Vorurteil der Vorstandspostille sollte tunlichst nicht bedient werden. Ich würde heute zum Beispiel jedem Unternehmen raten, auf ein Vorstandseditorial zu verzichten.

Wie wichtig sind kritische Stimmen in der Mitarbeiterzeitung?

Damit steht und fällt die Glaubwürdigkeit. Ob die kritischen Stimmen sich auch tatsächlich äußern und ob sie publiziert werden, ist eine Frage der Unternehmenskultur. Aber die Menschen sind es aus den sozialen Medien gewohnt, dass offen diskutiert wird. Deshalb dürfen Mitarbeitermedien heute keine Verlautbarungsmedien mehr sein, sie müssen vielfältiger und diskursiver werden. Mehr Mut würde ich mir manchmal auch in der Bildsprache wünschen. Es trägt zur Glaubwürdigkeit bei, wenn die Mitarbeiter sich und ihren Arbeitsalltag wiederkennen, das gelingt eher über dokumentarische, authentische Fotos als über gestellte Hochglanzbilder.

Ein Abschied von der Mitarbeiterzeitung ist also verfrüht – gilt das auch für junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind?

Es gibt unabhängig vom Alter ein grundlegendes Interesse an dem, was im Unternehmen passiert. Wir erleben zunehmend, dass Mitarbeiter und Führungskräfte von der digitalen Informationsflut aus E-Mails, Foren, Kooperationsplattformen, Newslettern und anderen digitalen Quellen überfordert sind. Da gewinnt die gedruckte Mitarbeiterzeitung, die man auch mal am Wochenende zuhause zur Hand nimmt, sogar an Aufmerksamkeit.

Das Interview erschien zunächst auf heute.de.

Über den Autor

Lutz Zimmermann

Vom kleinen Dachstudio ins Großraumbüro in Ehrenfeld – seit Lutz die Agentur 2011 gegründet hat, ist aus einem Zwei-Mann-Unternehmen eine 13-köpfige Agentur geworden. Was sich in all der Zeit nicht geändert hat, ist Lutz‘ Liebe für flache Hierarchien und griffige Überschriften. Und wenn der 1. FC Köln nicht gerade verloren hat, ist er jederzeit für einen Plausch über Sport zu haben.

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