Fundstück
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2021

Der etwas andere Zeitschriftenladen

Print ist tot? Im Gegenteil, sagt Olga Funk. Die Kölnerin eröffnete vor anderthalb Jahren den ersten Laden für unabhängige Magazine in Köln. Wir haben sie besucht – und uns gleich die neusten Lesetipps geholt.
Fundstück
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2021

Der etwas andere Zeitschriftenladen

Print ist tot? Im Gegenteil, sagt Olga Funk. Die Kölnerin eröffnete vor anderthalb Jahren den ersten Laden für unabhängige Magazine in Köln. Wir haben sie besucht – und uns gleich die neusten Lesetipps geholt.
Der etwas andere Zeitschriftenladen

Wer Olgas Laden betritt, den erwartet ein minimalistisch eingerichteter Raum: Ein rotes Ledersofa, eine kleine Kassentheke, ein grauer Betonboden. Doch wenn man eines der Magazine vom Wandregal nimmt und anfängt es durchzublättern, taucht man plötzlich in ganz andere – bunte, exotische, und manchmal verrückte – Welten ein: mit einem Weinkenner wandelt man durch Rebstöcke im Iran, besucht ein Dorf in den USA, in dem alle Häuser aus Glasflaschen gebaut sind oder lernt, wie man den perfekten Molotow Cocktail baut.

Magazine als "Mikrokospen der Welt"

„Ein Magazin zu lesen ist, wie auf eine Reise gehen“, erklärt Olga Funk. Für die Gestalterin sind Magazine „Mikrokosmen der Welt“ – und eine Leidenschaft. Vor knapp anderthalb Jahren eröffnete sie in Köln mit „funk magazine“ ihren eigenen Laden für unabhängige Magazine.

Mit dem Laden erfüllte sich Olga einen langgehegten Traum. Als Grafikdesignerin waren Magazine für sie schon immer wichtige Inspirationsquellen und hatten auch einen kulturellen Wert. „Vor etwa zehn Jahren bin ich in London auf den alternativen Magazinladen Mag Culture gestoßen. Damit hat es angefangen, dass ich auf Reisen immer wieder durch Magazinläden oder Buch-Shops gestöbert bin, um dort neue, spannende Hefte zur Inspiration zu suchen“, erzählt Olga.

Bei „Mag Culture“ handelt es sich um eine Institution der freien Magazinszene. Hier geht es nicht nur um die Hefte, sondern auch um die Arbeit dahinter – die Menschen, die Inspiration, die Geschichten. Das Konzept fasziniert Olga und bringt sie auf die Idee, in Köln ihren eigenen Laden nach ähnlichem Prinzip aufzubauen. Vor etwa drei Jahren beginnt sie, sich nach Räumen umzuschauen. 2020 wird sie endlich fündig. Zu diesem Zeitpunkt hat Olga bereits eine lange Liste mit Magazinen, die sie gerne anbieten will.

Von chinesischer Sci-Fi-Literatur bis Essiggurken
Viele davon liegen inzwischen in ihrem Laden aus, insgesamt sind es rund 120 verschiedene Magazine – aus den USA, dem Libanon oder Südkorea. Das Sortiment wechselt, das Themenspektrum ist breit: Es gibt Zeitschriften über Tee, Skaterkultur oder deutsch-chinesische Science-Fiction Literatur. Ausgaben über Essiggurken, Männlichkeit oder die Farbe Blau.

Vor allem geht es aber auch um gesellschaftlich relevante Themen, die dann in Kunst-, Design- oder Literaturzeitschriften behandelt werden. Die Auflagenzahl der Magazine liegt meist zwischen 100 und ein paar tausend Stück, die meisten erscheinen nur ein bis zweimal im Jahr. „Die Hefte sind fast schon Sammlerstücke“, sagt Olga.

Denn hinter den Projekten steckt viel Arbeit, die die meisten Grafiker:innen, Journalist:innen und Publizist:innen nebenberuflich machen. An viele der Magazine komme man gar nicht so leicht ran, so Olga: „Es gibt ein Famzine aus Asien – ‘Famzine‘, weil es von einer Familie herausgegeben wird –, das möchte ich schon seit Monaten im Laden haben. Aber die Herausgeber drucken nur einmal jährlich 300 Exemplare je Ausgabe und verteilen diese sehr ausgewählt.“ Nächstes Jahr kommt auch dieses Magazin endlich in Olgas Laden.

Jedes Heft eine Überraschung
Was in ihren Regalen landet, entscheidet Olga vor allem durch Ausprobieren: „Die Hefte müssen ins Gesamtkonzept passen, Sprache und Gestaltung müssen gut gemacht sein. Ich beobachte, aber auch was die Leute interessiert.“ Was ein Heft auf jeden Fall haben muss, um es in ihren Laden zu schaffen? Ein stimmiges Gesamtkonzept, eine individuelle Sprache.

Das Spannende aus Designersicht: Die unabhängigen Magazine lösen sich häufig von ästhetischen Konventionen, brechen Layout-Regeln, gehen an gestalterische Grenzen. Da fließt mal ein Text in Schlangenlinien über die Seite, eine Typographie wird fast bis zur Unleserlichkeit verzerrt oder Bilder werden durch surrealistische Collagen verfremdet.

Das ist nicht immer – im klassischen Sinne – schön, oft irritierend, manchmal belustigend, aber fast immer überraschend – und damit inspirierend. Denn in der Überraschung liegt für viele Leser:innen – besonders solchen, die selbst in der Kreativbranche arbeiten – der Reiz.

Aus Hobby wird Vollzeitjob

Zur eigenen Inspiration nutzt Olga ihr Sortiment allerdings immer seltener. Denn Aufträge als Grafikerin nimmt sie nur noch vereinzelt an. „Der Laden braucht inzwischen fast meine ganze Zeit“, erklärt Olga. Neben dem Verkauf von Magazinen ist sie momentan dabei, ein neues Format aufzubauen. Regelmäßig möchte sie in ihrem Laden Magazinvorstellungen veranstalten, bei denen sie die Köpfe hinter den Magazinen einlädt, von ihren Projekten zu erzählen.

Zwei Termine fanden bereits statt – und waren ein großer Erfolg. „Es gibt eine große unabhängige, junge Magazinszene und nach wie vor viele Magazinliebhaber auch hier in Köln“, sagt Olga. Mit der Prophezeiung ‚Print ist tot‘ kann sie wenig anfangen. Die Digitalisierung treibe die Szene eher voran. Viele Magazinmacher:innen nutzen Plattformen wie Instagram, um eine Community aufzubauen und Marketing zu betreiben.

In die Zukunft blickt Olga daher optimistisch: „Dass Onlinemagazine Print irgendwann ablösen, glaube ich nicht. Das Haptische, um das es Vielen beim Gedruckten vor allem geht – das Riechen, Anfassen, Durchblättern – kannst du nicht ersetzen.“

1. Mac Guffin: MacGuffin ist laut Wikipedia der Begriff für mehr oder weniger beliebige Objekte, die in einem Film dazu dienen, die Handlung voranzutreiben, ohne selbst von besonderem Nutzen zu sein. Dieser Idee folgend widmet sich das Magazin in jeder Ausgabe einem anderen, auf den ersten Blick unspektakulären Alltagsgegenstand, zum Beispiel aktuell der Flasche.
Olgas Fazit: „Da stimmt einfach alles. Aufwendig recherchierte Inhalte, schöne Details, Spiel mit den Papiersorten und auch praktisch für den Versand, weil leicht.“

2. Club Sandwich: Fast im Alleingang produziert die französische Künstlerin Anna Broujean dieses quirlige Magazin, das mit seinem Layout ein wenig so wirkt, als blicke man in ein popkulturelles Kunst-Kaleidoskop. In den Heften geht es um Essen, mal um Wassermelone, mal um Essiggurken oder Schokolade. Wer es schafft, 170 Seiten mit spannende Stories und Bildern eines eingelegten Gemüses zu füllen, dem gebührt auf jeden Fall Respekt!
Olgas Fazit: „Super außergewöhnlich. Ihre außergewöhnlichen Geschichtenfindet Anna in einer Vielzahl an Archiven, durch die sie sich mit Hingabe wühlt. Das merkt man.“

3. Sindroms: Blau steht für Melancholie und Trauer, rot für Liebe und Leidenschaft – die Geschichten in Sindroms drehen sich in jeder Ausgabe um eine andere Farbe und die Emotionen und Assoziationen, die sie auslöst. Ein Magazin, das ganz tief in die menschliche Psyche und Kultur eintaucht und dabei mit der psychologischen Wirkung auch gestalterisch spielt.
Olgas Fazit: „Einzigartig – allein wegen des Konzepts. Und auch starke, überlegte Inhalte.“

Zum Store:
Instagram: @funk_magazine,
funk-magazine.de

Fotos: Florian Yeh

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Geschrieben von Zimmermann Editorial

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