Frohes Fest!

Viele Indiemagazine kommen und gehen – das Indiemagazin FROH! aus Köln gibt es bereits seit 2008. Aus einer spontanen Idee ist ein Magazin geworden, das Publizieren als gesellschaftliches Engagement versteht. Mitgründer und Chefredakteur Sebastian Pranz erklärt uns im Interview, wie ganz persönliche Momente zu Heftthemen werden und was er meint, wenn er vom „Sound“ eines Magazins spricht.

Was war vor sieben Jahren der Gründungsimpuls von FROH!?

Wir hatten damals gar nicht vor, ein Magazin zu gründen, das regelmäßig erscheint. FROH! war als einmaliges Projekt gedacht. Der Kölner Verein motoki-Kollektiv hatte einen Förderpreis gewonnen und wir haben von dem Geld unter anderem ein Heft zum Thema Weihnachten gemacht. Von den Wortspielen dieser Zeit – Frohes Fest, fröhliche Weihnachten und so weiter – ist der Titel FROH! dann übrig geblieben. Da einige Blogs unser Magazin vorgestellt haben, kam es schnell zu Bestellungen aus ganz Deutschland. Wir waren positiv überrascht und haben beschlossen, weiterzumachen. Damals war es noch bemerkenswert, dass sich jemand bewusst für Print entscheidet, das hat uns zusätzliche Aufmerksamkeit beschert. Heute ist das ja ein Trend, es kommen ständig neue Magazine heraus.

Welches Selbstverständnis hat das Magazin?

Wir verstehen uns nicht als gezielte Reaktion auf irgendetwas. Aber ich muss schon sagen, dass ich mich damals im distanziert-zynischen Sound des Feuilletons dieser Zeit nicht wieder gefunden habe. Wir wollten etwas machen, was nah an den Menschen ist und Leute zeigen, die nicht nur reden, sondern Dinge voranbringen. Daraus sind inzwischen elf monothematische Hefte zu Themen wie „Luxus“, „Spiel“, „Bewegung“ oder zuletzt „Transit“ geworden.

Wie entwickelt sich euer Magazin weiter?

Ich mag die Idee, dass unser Heft mit jeder Ausgabe etwas dazu lernt. Wir versuchen mit jedem Heft und jedem neuen Monothema einen Schritt weiter zu gehen. Unser aktuelles Heft zum Thema „Transit“ befasst sich damit, Grenzen zu überwinden. Wir haben es erstmalig auch auf englisch herausgegeben, das erschien uns ein logischer Schritt zu sein. Beim Thema „Bewegung“ haben wir uns entschieden, an den Bahnhofskiosk zu gehen und damit auch als Magazin gewissermaßen in Bewegung, unter die Leute zu geraten.

Was macht ihr, wenn eines Tages ein Verlag an die Tür klopft?

Dann machen wir auf! Wir reden gerne mit interessanten Verlagen oder Investoren. Aber bei allen Gesprächen, die wir bis jetzt geführt haben, ist noch kein Deal heraus gekommen, der beiden Seiten nützt. So schön und letztlich wichtig finanzielle Freiheit auch ist, die inhaltliche Freiheit war und ist uns immer wichtiger. Bis heute arbeiten alle ehrenamtlich an FROH! mit. Wir können inhaltlich aber machen, was wir wollen, das ist ein großes Privileg.

Wie trefft ihr inhaltliche Entscheidungen?

Wir haben kein festes Redaktionsteam. Für uns ist jede Meinung aus dem Kreis der Unterstützer wichtig, aber letztlich fallen große Entscheidungen im kleinen Kreis der Redaktion, also zwischen mir und meinem Mitstreiter Klaus Neuburg. Das finde ich für unser Projekt auch sinnvoll, denn so hat jedes Heft einen ganz eigenen, stimmigen Sound. Wir nehmen die Sprache sehr ernst und suchen jedes Mal nach eigenen Sprachwelten. Auch die Gestaltung spielt eine wichtige Rolle. Es ist wie bei der Musik, wo man sofort erkennt, ob man Rock, Punk oder Klassik hört.

Wie kommt ihr auf eure Themen?

Da wir aktuell nur einmal im Jahr erscheinen, finden aktuelle Themen bei uns eher nicht statt. Unsere Themen begegnen uns bei unserer Arbeit, in unserem Alltag. Völlig ungeplante Erlebnisse sind oft die Initialzündung für ein ganz eigenständiges Heftthema. Das Thema „Bewegung“ kam uns in den Sinn, als wir einem Vortrag des Nobelpreisträgers Muhammad Yunus über Mikrokredite lauschten und anschließend viele Zuhörer von ihren eigenen Ideen berichteten. Da war soviel ungenutztes Potenzial im Raum versammelt. Dieser Energie wollten wir ein Heft widmen.

Ein Teil eurer ehrenamtlichen Arbeit sind die Publish Yourself! Workshops. Was macht ihr dort genau?

Diese Workshops finden in Deutschland oder im Ausland statt – so waren wir zum Beispiel in Georgien, in der Republik Moldau und zuletzt in Armenien. Wir produzieren stets mit Einheimischen in kurzer Zeit ein Magazin und verfolgen damit eine doppelte Absicht: Zum einen wollen wir Öffentlichkeit herstellen, zum anderen schulen wir damit aber auch alle Beteiligten im Blattmachen. Diese Workshops können der Anfang für bleibende publizistische Projekte sein.

Was war die Herausforderung in Armenien?

Wir haben hier gemeinsam mit dem DVV International gearbeitet, der schon sehr lange in dieser Region aktiv ist. Unsere Aufgabe war es, ein Heft mit türkischen und armenischen Studenten zu machen, das den Genozid der Türken an den Armeniern vor 100 Jahren als Thema hat – ein Trauma, dessen Auswirkungen bis in die junge Generation reichen. Wir haben Ortsbesuche veranstaltet, uns gegenseitig besser kennengelernt und aus der Begegnung ein Heft gemacht, in dem es neben dem Blick in die Geschichte auch den nach vorne gibt.

Was steht als nächstes an?

Wir wollen weiter Richtung Osten. Gerade bereiten wir ein Magazinprojekt in Sibirien vor. Ich hoffe sehr, dass daraus etwas wird.

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