OSTKREUZ ist die erfolgreichste Fotografen-Agentur in Deutschland. Ein Grundsatz der Agentur: „OSTKREUZ, das heißt, aufrichtig zu sein, nicht mehr und nicht weniger.“ Wir sprachen mit Anne Schönharting über Wahrheit und Authenzität in der Unternehmensfotografie.
Kann Fotografie für Unternehmensmedien ehrlich sein?
Das kommt auf den Kunden an. Verallgemeinern kann man das nicht. Gerade junge, innovative Unternehmen sind offen für Vorschläge – und kreieren diese auch selbst. Dennoch ist klar: Unternehmensfotografie ist Inszenierung und unterscheidet sich dadurch von einer realen Abbildung. Ich versuche jedenfalls, mich intensiv mit der Aufgabe zu beschäftigen, noch mal und noch mal neu anzusetzen, mich bewusst von meinen eigenen Vorstellungen zu entfernen. Als Fotografin will ich neue Blickwinkel anbieten und trotzdem muss ich dem Kunden das liefern, was er bestellt hat. Er soll sich in den Fotos ja wiederfinden.
Und dann bleibt man auf sicherem Terrain, bei vorgegebenen Bildwelten.
Es gibt wenige die wirklich sagen: Wir verlassen die Komfortzone. Ich kann das auch verstehen – aber die Fotos werden dadurch häufig sehr langweilig. Mir macht es mehr Spaß, wenn ich auf Kundenseite einen Diskussionspartner habe, der gerne etwas Neues ausprobieren möchte. Ich arbeite gerade für das Trenntmagazin der Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Die sind sehr aufgeschlossen für neue Ideen und haben den Mut, die etablierten Pfade zu verlassen. Mir macht es extrem viel Spaß, zusammen mit meinen Ansprechpartnern auf die Suche zu gehen, sich überraschen zu lassen. Die Möglichkeit, es so zu machen, wie der Kunde es vorgibt, bleibt ja immer noch. Das ist der einfache Weg, aber nicht der beste.
Bei althergebrachten, inszenierten Fotos muss ich automatisch an Werbung für Waschmittel oder Kaffee denken.
Ich auch. Für solche Firmen habe ich zwar noch nicht gearbeitet, aber diese Art von Inszenierung kommt mir total von gestern und überholt vor. Besonders die Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit, wie da die Welt gesehen wird.
Haben die sozialen Medien mehr Authenzität in die Fotografie gebracht?
Ja, das ist mein Eindruck. Da gibt’s zum Teil tolle Bilder. Man kann mit einfachsten Mitteln emotionale Szenen festhalten. Das ist einfach unsere Zeit. Instagram und Flickr sind die wohl bekanntesten Beispiele für die Schwemme von Bildmaterial, das heute in Umlauf ist.
Ist das keine Konkurrenz für Sie?
Das empfinde ich nicht so. Im Gegenteil, es ist eine Art von Freiheit, die ich schön finde. Man sieht Bilder, die man sonst nie zu Gesicht bekommen hätte. Wenn Barack Obama Berlin besucht und sich zu einem Kind herunterbeugt, dann ist das ein Moment, den hält man gerne fest als Profifotograf. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das jemand mit dem Smartphone erwischt, ist auch nicht gering. Ich mag diese Schnappschüsse manchmal ganz gern. Für mich sind sie kein Problem. Vielleicht ist das Konkurrenz für die Pressefotografie. Aber sobald es in die Tiefe geht und darum, hochwertige Fotos zu erzeugen oder Serien zu produzieren, reichen Schnappschüsse nicht mehr.
Verlangen die Unternehmen heute mehr authentische Fotos?
Da ist man fast schon gelangweilt davon. Authentisch sein, authentisch sein. Das hört man dauernd. Was ist überhaupt authentisch? Was meint ihr damit?
Was antworten ihre Kunden darauf?
Häufig gibt es keine Antwort. Für andere bedeutet es, den Mut zu haben, das weniger Schöne, weniger Attraktive zu zeigen. Gerade wenn man an Personen denkt, ist das jedoch nicht so einfach. Selbst wenn es richtig gute Bilder sind, schaut jeder kritisch drauf. Dann wird es schwierig, die Authentizität zu belassen. Die Leute neigen dazu, zu sagen: ‚Nee – mir ist das zu viel Ehrlichkeit, ich will lieber glänzen.’ Letztlich gibt es das Bedürfnis, schön und charismatisch zu sein. Wichtig ist es, die passenden Persönlichkeiten zu finden und ins richtige Motiv zu bringen.
Wie machen Sie das?
Ich muss mit dem Unternehmen ins Gespräch kommen bzw. mit dem, der das Unternehmen vertritt. Ich gebe dem Gesprächspartner viel Raum, um mir seine Vorstellungen zu schildern. Jeder hat bestimmte Stereotypen im Kopf, die habe ich auch. Es gilt, sich davon zu lösen.
Und wenn das Motiv gefunden wurde?
Geht es um ein Porträt, gehe ich zu demjenigen nach Hause oder in die Firma. Ich bin aufgeschlossen und habe keinen festen Plan. Ich möchte die Person erstmal kennen lernen. Zwar komme ich als Fotografin, aber auch als Mensch – ich finde, es liegt daran, in welcher Stimmung ich bin und wie offen. Und das wiederum spiegelt der andere wider. Dann versuche ich eine entspannte, positive Stimmung zu schaffen, die Angst nimmt. Das ist das Wichtigste. Es gibt Menschen, da geht es sehr schnell, man versteht sich, hat Sympathie. Dann gibt es Menschen, denen ist man nicht so nah, doch die sind vielleicht gerade extrem interessant. Manchmal dauert es eine Stunde, manchmal einen halben Tag. Es kommt darauf an, welche Möglichkeiten vorhanden sind.
Über die Person
Anne Schönharting, Fotografin und Mitglied der Berliner Fotoagentur Ostkreuz, geb. 1973, Ausbildung am Lette-Verein, Fachrichtung Foto-Design, seit 1999 Mitglied bei „Ostkreuz-Agentur der Fotografen“, arbeitet für bekannte dt. Magazine wie z.B. Zeit, Geo, Stern oder Brandeins und auch internationale Zeitschriften, Corporate und Werbung, regelmäßig Arbeit an freien Projekten wie z.B die Serie über das utopische Stadtexperiment Auroville in Indien, immer wieder Gemeinschaftsausstellungen und Bücher mit der Agentur Ostkreuz, aktuell arbeitet sie an einem eigenem Portrait-Buch.
Neue Erzähltechniken oder Trends im Editorial Design – in unserem Magazin beschäftigen wir uns mit Medien und Kommunikation.
Wir denken strategisch und arbeiten kreativ. Wir sind Experten für Corporate Medien mit Fokus auf Meinungsbildner, Öffentlichkeit und Mitarbeiter.
Lernen Sie uns kennen