Keine Revolution

Wer behauptet eigentlich, dass der Beteiligungs- und Mitgestaltungswille in den Unternehmen auf einmal so ausgeprägt ist? Dass alle mitreden und es besser machen wollen? Dass sie alle aufstehen und das Wort ergreifen wollen? Nur, weil es jetzt die technischen Möglichkeiten dazu gibt, heißt das nicht, dass auch jeder diese Möglichkeiten nutzen möchte!

Ein DAX-Unternehmen hat kürzlich einen Experten-Chat auf Facebook angeboten. Von potenziell mehreren Millionen Kunden haben sich nur eine Handvoll zugeschaltet. Gut die Hälfte der etwa 40 Chat-Teilnehmer war dem Aufruf einer Verbraucherorganisation gefolgt und schaltete sich nur zu, um den Chat zu torpedieren. Rausgekommen ist am Ende nix, weder für das Unternehmen noch für die „Aktionisten“. Jeder Zehntklässler, der ein Urlaubsfoto postet, hat binnen einer Stunde eine größere Resonanz als dieser DAX-Konzern und jene Verbraucherorganisation mit ihren akribisch ausgeheckten Aktionen. Auch das ist eine Realität im Web 2.0.

Für die Interne Kommunikation sei deshalb die Frage erlaubt: Wer behauptet eigentlich, dass der Beteiligungs- und Mitgestaltungswille in den Unternehmen auf einmal so ausgeprägt ist? Dass alle mitreden und es besser machen wollen? Dass sie alle aufstehen und das Wort ergreifen wollen? Nur, weil es jetzt die technischen Möglichkeiten dazu gibt, heißt das nicht, dass auch jeder diese Möglichkeiten nutzen möchte! Wer´s nicht glaubt, frage Angela Merkel nach ihren Erfahrungen mit der Crowd. Sie bietet seit Jahren im Netz die Möglichkeit zum Dialog, doch die Resonanz ist verschwindend gering.

Internet und Soziale Medien haben in Unternehmen dazu geführt, dass Interne Kommunikation und Interne Zusammenarbeit als Management-Aufgaben vermischt werden. Wenn Mitarbeiter zweier verschiedener Standorte über ein soziales Business-Network miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten, dann wird das gern unter der Überschrift „Interne Kommunikation“ gefasst. In der Folge heißt es dann, dass das Web 2.0 zu einer Revolution in der Internen Kommunikation führt.

Richtig ist, dass Zusammenarbeit, Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch neue Möglichkeiten erfahren. Aber das hat nichts mit der Management-Aufgabe Interne Kommunikation zu tun. Bei der geht es darum, Mitarbeiter und Führungskräfte mitzunehmen, unternehmerisches Handeln zu erklären, Veränderungsprozesse zu begleiten, Kultur zu stiften etc. Dazu bedient sich die Interne Kommunikation der Führungskaskade, eigener Veranstaltungen sowie der Internen Medien. Und bei diesen Instrumenten sind die neuen Möglichkeiten vorläufig noch begrenzt. Grund: Während der private Austausch über soziale Netze für viele normal ist, sind die Menschen im Beruf deutlich verschlossener. Dort möchte eben nicht jeder alles mit jedem teilen. Und während sich Mitarbeiter schon aus eigenem Interesse dafür einsetzen, dass zum Beispiel in einem standortübergreifenden Projekt über ein Social Network zusammengearbeitet wird, weil es Ihnen die Arbeit erleichtert, sind sie beim aktuellen Veränderungsprozess deutlich zurückhaltender und halten mit ihrer Meinung hinterm Berg.

Also einfach weiter machen wie gehabt mit der gedruckten MAZ? Ja, natürlich. Aber nicht nur. Interne Kommunikation muss jede Möglichkeit zum Dialog nutzen, jeden Weg gehen, über den man Mitarbeiter erreichen und Feedback einholen kann. Aber es braucht Geduld. Denn so wenig, wie die Kollegen in den letzten Jahren Leserbriefe an die MAZ-Redaktion geschrieben haben, so vorsichtig werden sie sich jetzt auf den neuen Bühnen des Enterprise 2.0 bewegen. Diese Revolution braucht Zeit.

Dieser Beitrag erschien als Teil eines Webspecials zum Thema Partizipation.

Foto: Photo by NordWood Themes on Unsplash

Über den Autor

Lutz Zimmermann

Vom kleinen Dachstudio ins Großraumbüro in Ehrenfeld – seit Lutz die Agentur 2011 gegründet hat, ist aus einem Zwei-Mann-Unternehmen eine 13-köpfige Agentur geworden. Was sich in all der Zeit nicht geändert hat, ist Lutz‘ Liebe für flache Hierarchien und griffige Überschriften. Und wenn der 1. FC Köln nicht gerade verloren hat, ist er jederzeit für einen Plausch über Sport zu haben.

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