„Wo Blog draufsteht, sollte auch Blog drin sein“

Kaum ein deutsches Unternehmen bloggt so lange und so erfolgreich wie der Daimler-Konzern. Wir sprachen mit Uwe Knaus, Entwickler und Moderator des Daimler-Blogs, über Glaubhaftigkeit im Netz, den Umgang mit heiklen Themen und warum Unternehmen gerade in der Krise bloggen sollten.

Herr Knaus, unter den deutschen Dax-Konzernen war Daimler 2007 einer der Ersten, der sich mit einem eigenen Blog an den Start gewagt hat. Was hat Sie damals zu diesem Schritt bewegt?

Der grundlegende Umbruch in der Medienlandschaft: Sinkende Auflagenzahlen von Printmedien bei gleichzeitigem Anstieg der Onlinenutzung, verändertes Kommunikationsverhalten durch Web 2.0-Funktionalitäten, steigende Popularität von Social Media und zunehmende mobile Internetnutzung sind nur einige Anzeichen dafür. Gleichzeitig erhöht sich die Zeit, in der Menschen online sind, und bei ansteigender Nutzung von Social Media auch ihr digitaler Vernetzungsgrad. Dieser Medienwandel führte daher auch zu einem völlig neuen Mediennutzungsverhalten, dem wir bereits 2007 mit dem Launch des Daimler-Blogs begegneten.

Es war nur eine Reaktion auf den Medienwandel?

Nein, die zweite, ebenfalls wichtige Motivation für den Launch des Blogs war Transparenz. Unternehmen werden mit zunehmender Komplexität und Größe von Außenstehenden häufig als unübersichtlich empfunden. So denken viele Menschen zuerst einmal an Mercedes-Benz, wenn der Name „Daimler“ fällt. Und dabei in der Regel an die Pkw-Sparte. Unsere Nutzfahrzeugsparte, die Busse, aber auch Marken wie Fuso, Feightliner, smart oder die Mercedes-Benz Bank werden nicht immer auf Anhieb mit Daimler in Verbindung gebracht. Corporate Blogs sind daher gerade für große Konzerne ein wertvolles Werkzeug, um trotz ihrer Größe zugänglich zu wirken und auch zu werden. Durch sie erleben Außenstehende unser Unternehmen nicht mehr als Black Box, sondern erfahren etwas über die Strukturen und die Menschen, die bei Daimler arbeiten.

Also nutzen sie das Blog in erster Linie als ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit?

Ja, aber das Daimler-Blog ist kein PR-Instrument im klassischen Sinne. Vielmehr ergänzt es die Onlinekommunikation, entsprechend den Anforderungen, die im Social Web an die Kommunikation von und mit Unternehmen gestellt werden. Wichtig ist uns, dass nicht die Kommunikationsabteilung, sondern die Mitarbeiter selbst über diese Plattform mit der interessierten Öffentlichkeit kommunizieren. Dabei war es unser Ziel, einen interaktiven Sprachkanal zu schaffen und damit einen menschlichen und persönlichen Zugang zum Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Erzählt werden diese Geschichten von denjenigen Mitarbeitern, die operativ für ein Thema verantwortlich sind, direkt und ohne Filter oder Abstimmungsschleifen. Wo Blog drauf steht, sollte auch Blog drin sein.

Auch wenn das nicht immer ganz konform ist mit der Meinung des Unternehmens?

Wir wollen größtmögliche Freiheit und Vielfalt bei der Themenwahl. Was die Autoren veröffentlichen, entspricht ihrer persönlichen Meinung und diese muss nicht notwendigerweise der offiziellen Unternehmensmeinung entsprechen.

Das sehen viele Unternehmen heute noch anders. Da wird die One-Voice-Policy hochgehalten.

Jedes Unternehmen hat auf der einen Seite eine offizielle Unternehmensmeinung, etwa bei Finanz-, Strategie- oder Kooperationsthemen. Auf der anderen Seite gibt es wiederum viele Inhalte, die selten Einzug in die klassischen Medien finden. Diese Themen können vielfältig sein: vom technischem Hintergrundwissen angefangen, über Berichte aus dem täglichen Arbeitsleben, bis hin zur Vorstellung von sozialen Projekten. Genau mit diesen Themen ging das Daimler-Blog 2007 online.

Und den Lesern gefällt´s?

Mit der Entwicklung des Daimler-Blogs sind wir sehr zufrieden. Wir haben bis zu 40.000 Unique Visitors im Monat und diese bleiben 8:23 Minuten pro Besuch. Innerhalb der ersten sieben Tage werden die Postings durchschnittlich 5.000 mal abgerufen, wobei der Top-Artikel zur Wohnheimsituation bei Daimler bereits mehr als 50.000 geklickt wurde.

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Öffentlichkeitsarbeit zielt grundsätzlich darauf ab, Transparenz und Authentizität zu schaffen und dadurch die Reputation eines Unternehmens positiv zu beeinflussen. Wir leisten unseren Beitrag, weil wir durch den Unternehmens-Blog die „Black-Box Daimler“ ein Stück transparenter machen wollen – was bislang sehr gut funktionierte. Ein Grund dafür liegt in der Authentizität, die bei Blogs eine tragende Säule der Glaubwürdigkeit darstellt. Die Offenheit, mit der unsere Mitarbeiter bloggen, wirkt sich am Ende auch positiv auf das Unternehmen und dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aus.

Welche Rolle spielt das Blog für die Interne Kommunikation?

Konzeptionell ist das Daimler-Blog vor allem zur Unterstützung der externen Kommunikation gedacht. Allerdings war uns von Anfang an klar, dass das Daimler-Blog auch stark nach innen wirken würde. Mit dem Blog betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit, und wollen dabei keine Gruppe ausklammern. Mitarbeiter gehören genau so dazu, wie Kunden, Bewerber, Aktionäre, oder etwa Anwohner.

Wie hoch liegt denn der Anteil der internen Leser?

Der schwankt je nach Thema zwischen 30 und 50 Prozent, was deutlich zeigt, dass das Blog auch sehr stark nach innen wirkt. Das ist aber wie gesagt in erster Linie abhängig vom Thema, zu dem gebloggt wird. Bei den „weichen“ Personalthemen, die etwa Karrieremöglichkeiten innerhalb des Konzerns beschreiben, sind die externen Leser in der Überzahl. Bloggen wir allerdings zu Themen wie Kurzarbeit, Erfolgsbeteiligung oder über die interne Kantine, überwiegen die Mitarbeiter unter den Besuchern. Das Interview mit dem Personalvorstand und dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden zur Senkung der Arbeitskosten, hatte beispielsweise eine sehr starke Wirkung in den Konzern hinein. Hier wurde das Blog genutzt, um zusammen mit anderen internen Kommunikationsmaßnahmen die größtmögliche Wirkung zu erzeugen.

Auch Richtung externer Leser?

Natürlich blieb dadurch auch dem externen Leser nicht verborgen, dass wir bei Daimler eine offene und informative Unternehmenskultur pflegen. Eine direkte Abgrenzung zwischen internen und externen Themen ist daher immer beitragsspezifisch zu betrachten.

Bei dem Gedanken, Themen wie Kurzarbeit“ oder Erfolgsbeteiligung in der Öffentlichkeit zu diskutieren, wird vielen Unternehmen mulmig. Ihnen nicht?

Uns war bewusst, dass jede Aktivität in Social Media von vornherein Gefahren impliziert. Umso bemühter waren wir, bereits im Vorfeld potentielle „Krisenherde“ zu identifizieren. So haben wir uns schon bei der Konzeption Gedanken darüber gemacht, wie die Risiken möglichst gering gehalten werden können. Das fängt bei der Formulierung der Ziele an, geht über die klare Rahmenbedingungen in Form von Kommentarrichtlinien und Blogging Guidelines bis hin zu einer transparenten Moderation der Kommentare.

Dennoch: Im Krisenfall könnte so eine offene Bühne für die Unternehmenskommunikation zum nicht kalkulierbaren Risiko werden. So sieht es jedenfalls noch die Mehrheit der Unternehmen.

Gerade in Krisenfällen leistet das Blog besonders dann einen positiven Beitrag zur Reputation, wenn wir es frühzeitig einsetzen, um auf kritische Themen zu reagieren. Immer dann, wenn sich potenzielle Krisensignale im Netz verdichten – wir alle kennen das Phänomen „Shitstorm“ – haben wir die Möglichkeit, frühzeitig zu reagieren. Unter anderem ermöglicht ein adäquates Posting, dass das Thema im Netz bleibt und sich nicht auf die Massenmedien ausdehnt. Es kommt somit erst gar nicht zu einem Reputationsschaden. Natürlich sind Corporate Blogs damit kein Allheilmittel gegen Krisen im Netz, aber durchaus ein wichtiges Instrument zu deren Bekämpfung.

Ein Instrument, das in jedem Unternehmen funktionieren kann?

Ein Corporate Blog kann nur funktionieren, wenn grundsätzlich eine offene und transparente Unternehmenskultur vorherrscht. Das Daimler-Blog zeigt daher nicht nur, wie wir als Unternehmen mit Kritik umgehen, welche Produkte wir herstellen oder welche vielfältigen Möglichkeiten Mitarbeiter haben, sich innerhalb des Unternehmens zu entwickeln. Es macht auch sichtbar, welche Kultur im Unternehmen vorherrscht.

Teaserbild: Photo by Markus Petritz on Unsplash

Über die Person

Uwe Knaus, Manager Corporate Blogging & Social Media Strategy, Corporate Communications, Daimler AG. Geboren 1965, Studium der Betriebswirtschalftslehre, Schwerpunkt Personal- und Organisationswesen. Seit Anfang 2007 zuständig für Konzeption und Launch des Daimler-Blogs, danach für Moderation und strategische Weiterentwicklung. Seit Anfang 2010 steuert er den strategischen Einsatz von Social Media zur Erreichung der Kommunikationsziele.

Über den Autor

Zimmermann Editorial

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