Die neue Studie eines US-amerikanischen Forscherduos legt auf den ersten Blick nahe, dass in virtuellen Meeting unsere Kreativität leidet. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Heute schon gezoomt, geteamst, über Google gemeetet oder ein anderes Videoconferencing-Tool genutzt? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Denn seit dem Gamechanger Corona gehören Online-Meetings für viele zum Arbeitsalltag.
Wie praktisch das ist, darüber muss man nicht reden.
Auch ökologisch sind Videokonferenzen sinnvoll – wer sich online trifft, reist nicht durch die Gegend. Das hat der Verkehrsclub Deutschland e. V. 2021 mal für Geschäftsreisen durchgerechnet: Bei einem Drittel weniger Geschäftsreisen werden allein in Deutschland rund 3 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart.
Was lässt sich alles mit einem Frisbee anstellen?
Alles gut also? Kommt darauf an. Denn wenn Menschen gemeinsam kreativ sein und neue Ideen entwickeln wollen, dann geht das über Teams und Co nicht so gut wie klassisch am Tisch. Das jedenfalls ist das Ergebnis der groß angelegten Studie des US-amerikanischen Forscherduos Melanie Brucks (Columbia University) und Jonathan Levav (Stanford University).
Insgesamt 600 Personen aus unterschiedlichen Kontinenten sollten jeweils paarweise kreative Ideen entwickeln. Konkret ging es darum, gemeinsam zu überlegen, wofür man ein Frisbee noch nutzen könnte, außer damit auf einer Wiese oder am Strand zu spielen. Während die eine Hälfte der Teilnehmenden gemeinsam in einem Raum saß, trafen sich die anderen Paare virtuell. „Wir stellen fest,“ schreiben die Forscher im Magazin Nature, „dass Videokonferenzgruppen weniger kreative Ideen generieren als persönliche Gruppen.“
Besser nicht so fokussiert
Die Ursachen für den geringeren kreativen Output liegen laut Brucks und Levav an der Begrenztheit des virtuellen Raums. Bei Videokonferenzen sind wir zu sehr auf die Gesprächspartner fokussiert. Fokussiert ist hier ganz wörtlich zu verstehen: „Wenn man nicht mit den Augen im Raum herumwandert, ist auch das Gehirn in seinem Umherwandern eingeschränkt,“ sagt Melanie Brucks. Anders gesagt, bei Online-Meetings sind wir zu konzentriert, um frei assoziieren zu können.
Sind Videoconferencing-Tools also Teufelszeug für die Kreativität? Nicht unbedingt. Denn die Ideenfindung und -entwicklung verläuft in unterschiedlichen Phasen – oder besser gesagt, sie lässt sich in unterschiedliche Phasen einteilen. Unabhängig von den diversen Modellen und Methoden, die es zu diesem Thema gibt, kann man vereinfacht sagen: Erst einmal kommt es darauf an, möglichst viele Ideen zu generieren – und das geht in einem gemeinsamen physischen Raum besser als online.
Und dann folgt eine Phase, in der diese Ideen selektiert und weiterentwickelt werden. Bei diesem Prozess ist analytisches Denken gefragt und das geht nach den Ergebnissen von Brucks und Levav auch per Konferenz-Call gut. Oder wie sie in schönem Wissenschaftsdeutsch schreiben: „Wir finden keine Hinweise darauf, dass Videokonferenzgruppen bei der Ideenauswahl weniger effektiv sind.“
Foto: chris-montgomery/unsplash
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