Die Liste der Jobs, die die künstliche Intelligenz einmal übernehmen können wird, wird immer länger. Und meiner steht auch schon drauf. Aber das wird nix, geschätzter ChatBot.
Die Liste der Jobs, die die künstliche Intelligenz einmal übernehmen können wird, wird immer länger. Und meiner steht auch schon drauf. Aber das wird nix, geschätzter ChatBot.
Fünf Fragen, dann war die Sache für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und für meine Zukunft durch. ChatGPT, das zeigte der Selbsttest unmissverständlich, wird schon bald „große Teile meiner Arbeit zumindest theoretisch erledigen“ können. Das Beil fiel bereits mit Frage 1: „Ich arbeite vor allem … a) im Büro mit dem Kopf (8 Punkte), b) mit den Händen (2), c) mit Menschen von Angesicht zu Angesicht (0). Für das Schlussurteil genügten 11 Punkte und acht hatte ich allein, weil ich bei der Arbeit in meiner Agentur meinen Kopf benötige.
Nun kann man den Test als einen weiteren Beweis für den Niedergang des seriösen Journalismus abtun. Als er mir in die Hände fiel, war er aber einer von vielen Beiträgen, die mich täglich zu diesem Thema anbrüllten, nicht selten Ängste Künstlicher Intelligenz und ChatGPT schürten (FAS: „Jetzt will der Computer ihren Job“) und faktenfern dunkle Zukunftsszenarien malten, die wir fürchten müssen.
Künstliche Intelligenz: Freund oder Feind?
Muss ich mir jetzt also wirklich Sorgen machen? Oder könnte ich mich vielleicht auch freuen, weil meine Arbeit in der Unternehmenskommunikation künftig leichter wird? Werden meine Arbeitsergebnisse durch den klugen Einsatz von KI vielleicht sogar besser? Letztere Perspektive nimmt in der medialen Darstellung leider nur sehr wenig Platz ein.
Ich habe meine Entscheidung getroffen, Kommunikator:innen müssen ChatGPT nicht fürchten – im Gegenteil. Aus drei Gründen.
1. ChatGPT ist künstlich
Ich habe die Stories zu LaMDA – der Google-Version von ChatGPT – gelesen und zu der Behauptung, die Künstliche Intelligenz hätte ein Bewusstsein. Hat sie aber nicht. Die KI liest nicht wie Menschen, sie rechnet. Sie hat weder Bewusstsein noch Selbstbewusstsein, sie hat keine Emotionen und keine eigenen Erfahrungen, sie kennt keine Freude und keinen Schmerz, keine Sorge und keine Hoffnung.
Der Physiker und Philosoph Eduard Kaeser beschreibt einen weiteren Aspekt: „Wir Menschen verstehen Sprache nicht einfach dadurch, dass wir sprechen, sondern dadurch, dass wir sprechend der Welt einwohnen. Und wir tun dies körperlich. Kognitive Fähigkeiten sind immer auch körperliche Fähigkeiten. Artikulieren ist eine solche. Sprachentwicklung setzt ein, indem wir von Geburt an mit anderen Menschen Artikulationen austauschen und über sie ein ursprüngliches Weltverständnis gewinnen.
Gleichzeitig werden wir auf diesem Weg zu dem, was wir sind: unverwechselbare Personen. Der Ursprung ist unser körperliches «Welthaben». Maschinen haben keine Körper, ihnen ist die Welt – wie dies der Philosoph John Haugeland unvergesslich ausdrückte – scheissegal: «They don’t give a damn».“
Die KI tut im Übrigen nichts aus eigenem Antrieb, sie erkennt keinen Handlungsbedarf. All das aber macht einen großen Teil der Arbeit von Kommunikationsprofis aus. Sie müssen Lagen einschätzen und abwägen, Emotionen bewerten, kommunikative Konfliktlinien voraussehen und vor dem Hintergrund solcher Gedanken um jedes Wort ringen. Gute Kommunikation sieht und fühlt die Menschen, an die sie sich richtet.
2. ChatGPT ist reproduktiv
Die KI bewegt sich sozusagen im Kreis. Sie arbeitet immer nur mit dem, was bereits da ist und fügt Vorhandenes neu zusammen. Wobei das eben nicht neu im eigentlichen Sinne ist, es ist nur neu arrangiert. Unsere Arbeit aber besteht darin, tatsächlich Neues zu entwerfen: Narrative, die in ihrem Gedankenlauf einzigartig und damit differenzierend sind. Zumindest vorläufig noch hat die KI ein weiteres Problem: Der Input, aus dem sie reproduziert, besteht zu einem nicht geringen Anteil aus Content-Müll. ChatGPT gesteht die eigene Limitiertheit übrigens freimütig ein: „It lacks the ability to truly innovate and create something truly original and novel, as it is ultimately limited by the data it has been trained on and the algorithms it uses.” Noch fehlt mir die Phantasie, wie sich das jemals ändern könnte.
3. ChatGPT hat ein Quellenproblem
Es wurde als der große Vorteil gegenüber den Google-Trefferlisten beschrieben, dass ChatGPT nicht einfach nur Link-Hinweise gibt, sondern gleich komplette Antworten formuliert. In der aktuellen Version von ChatGPT geschieht dies noch ohne Quellenangaben, in der nächsten sollen Quellenangaben folgen. Es bleibt abzuwarten, wie genau das dann aussieht. In jedem mir vorstellbaren Fall aber bleibt ein Problem: Wie hat ChatGPT die Quellen gewichtet? Und: Welche Quellen hat ChatGPT eigentlich nicht genutzt?
Für Journalist:innen sind Antworten auf diese Fragen von nicht zu verhandelndem Wert. Sie müssen die Quellen – die genutzten wie die nicht genutzten – kennen, um ihre Beiträge rechtfertigen zu können. Aber auch wer in der Kommunikation arbeitet, muss das Fundament kennen, auf dem er/sie Narrative baut. Google überlässt es mir selbst, die Quellen zu sichten, zu bewerten, zu nutzen oder zu ignorieren. ChatGPT aber übernimmt diese Arbeit. Für Gebrauchstexte ist das okay, für echten Diskurs eine Falle.
Ein nützlicher Helfer für die Kommunikationsbranche
Es ist offenbar eine Frage der Perspektive: Während Autor:innen sich momentan beim Malen von Untergangsszenarien ganzer Berufszweige überbieten, kommt der Blickwinkel ,ChatGPT als Freund und Helfer‘ viel zu kurz. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, uns von geistigen Routinearbeiten zu befreien, uns mehr Zeit zu geben und Impulse, wirklich Neues und Kreatives zu schaffen. Statt Verlustängste zu schüren, sollten wir die Chancen im Zusammenspiel von künstlicher und menschlicher Intelligenz suchen. Die sind nämlich riesig.
Viele Kreativschaffende haben es in den letzten Wochen bereits erlebt: Es ist erstaunlich, wie ChatGPT binnen Sekunden Texte ausspuckt, denen nicht nur das künstliche nicht anzusehen ist, sondern deren Qualität so manche Texter:innen nie erreichen werden. Die KI ist insofern schon heute ein Werkzeug, das wir täglich in unserer Arbeit nutzen. Zum Beispiel, um variantenreicher zu formulieren; um Grundlagen zu generieren, auf denen wir dann weiterarbeiten; um einen schnellen Einstieg in ein Thema zu finden; etc. Die Anwendungsfelder werden ganz sicher schnell mehr werden. Wir freuen uns darauf, diese Werkzeuge nach persönlichem Ermessen immer intensiver zu nutzen.
Aber dass sie meine Kolleg:innen und mich ersetzen? Dafür sind wir zu menschlich intelligent.