Wer sehen möchte, wie gute Interviewführung funktioniert, sollte sich auf YouTube das ZDF heute journal vom 14. Mai 2012 anschauen. Nach einer fünfminütigen, intensiven Fragerunde hatte Claus Kleber sein Gespräch mit Horst Seehofer eigentlich schon beendet, doch dann im Nachgespräch legt Seehofer erst so richtig los. Besonders schön: Geschickt holt sich Kleber am Ende von Seehofer die Sendegenehmigung für das Nachgeschobene, ohne überhaupt danach zu fragen. Selten gab es im Deutschen Fernsehen so ehrliche Worte zur Politik. Eine journalistische Meisterleistung.
Nun sind wir nicht alle Claus Kleber. Aber einige Tricks lassen sich für den eigenen Arbeitsalltag in der Unternehmenskommunikation gut von ihm abschauen und leicht umsetzen. Das gilt für klassische Print- ebenso wie für Podcast- oder Video-Interviews. Hier kommen fünf Tipps, wie ein Interview gut gelingt.
1. Vorbereitung ist alles
Im Interview zwischen Kleber und Seehofer fällt auf: Kleber hat eine riesige Menge an Vorwissen. Er weiß genau, was Seehofer wann zu welchem Thema gesagt hat. Je besser also die Vorrecherche zu einem Interviewpartner oder einem Thema, desto besser wird das Interview.
Im besten Fall führt man auch ein Vorgespräch. So kann man vor dem Interview eine bessere Dramaturgie entwickeln und währenddessen mehr in die Tiefe gehen, konkretere (Nach)fragen stellen und flexibler reagieren. Zudem gibt Wissen Sicherheit im Gespräch. Das gibt einem als Interviewer oder Interviewerin eine gewisse Autorität, die von großem Vorteil ist.
Übrigens: Da man Interviews in der Unternehmenskommunikation oft allein vorbereiten muss, kommt es sehr gelegen, dass es mit ChatGPT einen Kollegen gibt, der immer Zeit für ein gemeinsames Brainstorming hat. Einfach Thema, Interviewpartner:in, Zielgruppe und Medium als Briefing eingeben und um kreative, provokante oder persönliche Fragestellungen bitten. Zwei bis drei Fragen, auf die man nicht selbst gekommen wäre, liefert die Künstliche Intelligenz bestimmt.
2. Die Einstiegsfrage nicht unterschätzen
Die Einstiegsfrage setzt den Ton für das Gespräch. Möchte man den Interviewpartner aus der Reserve locken, wählt man eine provokante Frage. Möchte man das Gespräch auf eine persönliche Ebene holen, fragt man nach einer persönlichen Erfahrung. Wichtig ist: die Frage sollte offen gestellt sein und darf gerne überraschen.
3. Kontrolle behalten
In der Rolle des Interviewers oder der Interviewerin haben Sie die Zügel des Gesprächs in der Hand und sind außerdem Anwalt des Hörers oder der Leserin. Das bedeutet erstmal: Sie dürfen – und müssen – Ihren Interviewpartner einfangen, wenn er bei einer Antwort droht, sich zu verrennen. Unterbrechen ist dabei nicht unhöflich. Es ist ein wichtiges Instrument, um Unverständlichkeiten für das Publikum direkt aus dem Weg zu räumen oder ein Gespräch beim Wesentlichen zu halten.
Oft kann man schon durch Körpersprache – ein Aufrichten, Mund öffnen oder Handheben – signalisieren, dass man an einer Stelle gerne einhaken würde. Auch einen Satz für den Interviewpartner zu beenden, kann eine Technik zum Unterbrechen sein. Denn oft hört das Gegenüber dann automatisch auf zu sprechen und man kann zur nächsten Frage überleiten.
4. Fragetechniken kennen und nutzen
Es gibt verschiedene Fragetypen wie offene und geschlossene Fragen, rhetorische Fragen, Nutzwertfragen oder Suggestivfragen. In einem guten Interview wechseln sich diese ab und werden situativ sinnvoll eingesetzt, um das Gespräch zu lenken. Zum Beispiel bringen Entweder-Oder-Fragen mehr Tempo in ein Gespräch oder Suggestivfragen zwingen das Gegenüber zu einer klaren Stellungnahme. Auch können die Fragetypen helfen, mit bestimmten Arten von Interviewpartner:innen besser umzugehen. Menschen, die sich nur schwer in ihrem Redefluss bremsen lassen, stellt man vielleicht lieber geschlossene Fragen. Bei Interviewpartner:innen, denen man Informationen eher aus der Nase ziehen muss, bieten sich eher offene Fragen an. Außerdem gilt: Immer nur eine Frage gleichzeitig stellen.
5. Auf Türen achten und einfach mal durchgehen
In der Regel geht man in ein Interview mit einem vorbereiteten Fragenkatalog. Doch diesen sklavisch abzuarbeiten, macht in den wenigsten Fällen Sinn. In jedem Gespräch ergeben sich Momente, in denen der Interviewpartner einen neuen oder spannenden Aspekt einbringt, den man nicht auf dem Schirm hat. Auf diese Momente gilt es zu achten.
Es kann spannend sein, durch diese Gesprächstüren zu gehen und damit nochmal ganz neue Seiten eines Themas oder einer Person zu beleuchten. Wichtig ist, danach seinen roten Faden wiederzufinden. Das klingt schwieriger als es oft ist. Meist kann man einfach wieder eine Frage aus seinem vorbereiteten Katalog einstreuen und findet so auf seinen ursprünglichen Weg zurück.