Seit vergangenem Jahr sind Sie auch unter die Buchautoren gegangen. Schreiben, Fußball spielen oder die Arbeit als Stiftungsvorstand – was macht am meisten Spaß?
Alles (lacht). Auch wenn ich mich zuletzt immer wieder kritisch über das Fußball-Geschäft geäußert habe, war das auch eine coole Zeit. Vor 80.000 Fans zu spielen ist ein unglaubliches Spektakel. Jetzt genieße ich eine Lesung aus meinem Buch vor 200 Menschen. Aber eines hat sich im Vergleich zum Fußballprofi-Dasein definitiv geändert.
Nämlich?
Ich frage mich bei allem, was ich tue, ob es langfristig einen tieferen Sinn erfüllt. Als Fußballer veränderst du nicht die Welt, höchstens das Gefühl am nächsten Morgen beim Bäcker nach einem Sieg. Ich habe mich entschieden, dass ich andere Dinge in der Welt positiv und nachhaltig beeinflussen möchte. Ich will Verantwortung übernehmen. Das erfüllt mich und hat mir geholfen, komplett bei mir selbst zu sein.
Fehlt Ihnen nicht manchmal der Fußball?
Um ehrlich zu sein, überhaupt nicht. Ich habe auch gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Das Tolle am Fußball ist: Du hast einen richtig beschissenen Tag – und dann haust du den Ball in den Winkel. Innerhalb von zwei Sekunden fühlst du dich wieder gut. So etwas hat man im normalen Arbeitsleben natürlich nicht. Ich sitze zum Beispiel gerade an der Planung von Förderprogrammen für unsere Stiftung. Viel Bürokratie, viel Finanzkram. Sich damit zu beschäftigen ist mühsam. Aber es muss getan werden und ich mache es gern, weil ich weiß, dass ich damit einen größeren Sinn erfüllen kann.
Klingt nach Pflichtbewusstsein.
Ich würde es Arbeitermentalität nennen. Meine Eltern haben mir vorgelebt, was es heißt, neu anzufangen und mit harter Arbeit viel zu erreichen. Ich habe kein besonderes Talent, auch im Fußball nicht. Aber alles, was ich mache, will ich herausragend machen. Das treibt mich an und spiegelt sich auch in unserer Stiftungsarbeit wieder.
Arbeitermentalität ist etwas, das insbesondere im Ruhrgebiet gut ankommt. Sie sind mit 19 Jahren nach Dortmund gekommen und nach einigen Stationen, auch im Ausland, zurückgekehrt. Was zieht Sie ins Ruhrgebiet?
In allererster Linie bin ich in Dortmund, weil unsere Stiftung hier ihren Sitz hat. Hier sind unsere Unterstützerinnen und Unterstützer, das Herz, der Anker. Ich fühle mich pudelwohl in Dortmund. Vielleicht gibt es schönere Städte, aber Dortmund ist mein Zuhause. Die Radwege könnten etwas besser sein, aber auch da tut sich ja was (lacht).
Ihr gesellschaftliches Engagement fokussiert sich stark auf Afrika. Warum dort?
Es gab Leute, die mir einreden wollten, ich müsste mich unbedingt lokal engagieren. Andere meinten mein Engagement müsste in Bosnien sein, wo meine Wurzeln liegen. Aber ich habe eine andere Vorstellung. Ich will dort ansetzen, wo die Ungerechtigkeit am größten ist, wo die meisten Menschen unter objektiv prekären Verhältnissen leben. Deswegen ist unsere Stiftung well:fair in Afrika aktiv.
Was genau macht die Stiftung dort?
Wir bauen Brunnen und sanitäre Anlagen und haben damit schon über 200.000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht. Wir arbeiten eng mit den lokalen Behörden und Gemeinden zusammen. Uns ist wichtig, dass die Brunnen von den Menschen vor Ort gebaut werden. Nur so ist es nachhaltig und nur so haben die Kinder dort Vorbilder, die für sie greifbar sind. Dadurch bleiben auch Know-how, Devisen und Löhne in der Region. Wir als Stiftung agieren im Hintergrund und unterstützen finanziell und technisch. Meiner Meinung nach ist das für eine Stiftung die beste Rolle.
In Ihrem Buch „Alles geben“ nehmen Sie quasi alle Menschen in die Pflicht, sich ebenfalls für eine gerechtere Welt einzusetzen.
Nicht ganz. Es ist ein großer Unterschied, ob wir von einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern sprechen oder von Menschen, die täglich frei in ihren Entscheidungen sind, in was sie ihre Aufmerksamkeit, ihre Zeit und ihr Geld investieren. Und da bin ich der Meinung, dass sich noch mehr Menschen engagieren könnten. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich meinen Weg gefunden habe.
Neven Subotic wurde am 10. Dezember 1988 in Banja Luka (heute Bosnien Herzegowina) geboren. Angesichts des drohenden Bürgerkriegs flüchteten seine Eltern mit ihm und seiner Schwester im Jahr 1990 nach Deutschland. Von der Abschiebung bedroht, erbat seine Familie 1999 bei der US-Botschaft erfolgreich eine Einwanderungserlaubnis. 2006 kehrte Subotic nach Deutschland zurück und schaffte als Fußballer den Durchbruch in der Fußball-Bundesliga. Er spielte unter anderem für den FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, 1. FC Köln und Union Berlin. In Dortmund wurde Subotic unter Jürgen Klopp zweimal Deutscher Meister und einmal DFB-Pokalsieger. Nach mehr als 200 Bundesligaspielen und 36 Länderspielen für Serbien beendete der 34-Jährige im vergangenen Jahr seine Karriere und widmet sich inzwischen vollumfänglich seiner Stiftung well:fair.
Dieses Interview ist im Patientenmagazin Wie is? der Unimedizin Essen erschienen.