„Rassismus hat bei uns keinen Platz.“
„Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.“
„Der Klimawandel ist eine menschengemachte Katastrophe, der wir jetzt (nicht später) energisch begegnen müssen.“
„Dass wir immer noch über Gleichbehandlung aller Geschlechter sprechen müssen, ist ein Drama.“
Daumen hoch. Applaus. Klicks zählen. Nächstes Thema. Wer in den letzten Wochen, zumal während des Pride Month, in den einschlägigen Netzwerken unterwegs war, dem konnte vor lauter Gelegenheiten zum Daumen hochheben langweilig werden. In Bayern nennt man es eine „gmahde Wiesn“ – wenn das, was kommt, ausgemachte Sache ist. Wer den Klimawandel beklagt und das Nichtstun dagegen, der erhält Beifall. Und wenn´s ein CEO postet, ist der Beifall umso lauter – und billiger. Ist es deshalb falsch, das zu tun? Darauf gibt´s zwei Antworten.
Regenbogenflagge zeigen als wichtiges Zeichen der Solidarität
Erstens: Nein, es ist richtig. Man kann sich natürlich drüber lustig machen wie Jan Böhmermann, der mit seinem Song „Be Proud“ eine Anti-Rainbowwashing-Hymne produziert hat (und damit auch Gratis-Applaus bekam). Unternehmen sind Corporate Citizen. Die Öffentlichkeit verlangt, dass sie Position beziehen, Verantwortung übernehmen und einstehen für gesetzte Werte. Das tun Unternehmen, indem sie sich zu gesellschaftlichen Themen äußern und zu Haltungen bekennen.
Und das müssen sie natürlich auch dann tun, wenn bestimmte Themen zu bestimmten Zeitpunkten (Pride Month) besonders im Fokus stehen. Es sind wichtige Botschaften nach innen in Richtung einer Mitarbeiterschaft, die zunehmend werteorientiert ist. Und nach außen in Richtung einer Gesellschaft, die etwa bei Gleichstellungs- und Rassismusthemen jede Stimme benötigt, die sich gegen Ewiggestrige erhebt.
Schmaler Grad zum Rainbow-Washing
Zweitens: Es ist falsch, wenn man außer barfuß über die „gmahde Wiesn“ zu gehen nichts beizutragen hat. Warum nur bekennen und nicht auch Vorschläge unterbreiten? Oder einladen zu einer Aktion? Danke sagen an Mitarbeitende, die etwas Besonderes getan haben. Einen Missstand aufzeigen und Lösungsvorschläge machen. Das Bekenntnis ist die Pflichtübung, die Kür ist auch kommunikativ darüber hinaus zu gehen. Unternehmen, die in Diversity-Fragen wirklich einen Punkt machen und sich differenzieren möchten, tun natürlich gut daran, die ohnehin hohe Aufmerksamkeit eines Pride Month oder eines anderen Jahrestages zu nutzen.
Andererseits weichen sie in weiteren Kommunikationsmaßnahmen diesen Gedenkterminen auch bewusst aus und motivieren so die Wahrnehmung, die Problematik wirklich ernst zu nehmen. Ein weiterer Aspekt der „Bekenntnis-Kommunikation“: Vorständen gefällt es, zum Beispiel in Diversity-Fragen Sympathie und Applaus „abzuräumen“. Ihre Glaubwürdigkeit in diesen Fragen ist aber zumindest begrenzt. Viele sind zudem angreifbar, da es so 100 Prozent divers in fast keinem Unternehmen zugeht. Natürlich, es ist schwer, Vorständen klarzumachen, sich auf LinkedIn mal etwas kürzer zu fassen. Es ist aber nun mal viel wirksamer, wenn die Mitarbeitenden selbst die Kommunikation in die Hand nehmen und in sozialen Medien aus ihrem diversen Umfeld berichten. Dann reicht es auch, wenn der Vorstand einen Einzeiler postet, unter Posts von Mitarbeitenden kommentiert oder einfach nur den Daumen hebt.