ZE-Werkstatt
24
04
2024

Erklär’s mir, als wäre ich 12

Vom komplexen Thema zum verständlichen Content in drei Schritten. Wir geben Tipps, wie Kommunikator:innen vereinfachen, ohne zu verfälschen.
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2024

Erklär’s mir, als wäre ich 12

Vom komplexen Thema zum verständlichen Content in drei Schritten. Wir geben Tipps, wie Kommunikator:innen vereinfachen, ohne zu verfälschen.
Erklär’s mir, als wäre ich 12

„Künstliche Intelligenz ist Maschinelles Lernen.“ Meine Kollegin hatte im Interview einen Experten gefragt, wie er KI für Laien erklären würde. Das war seine Antwort. Nun ist diese Antwort keineswegs falsch, nur ist sie für Laien absolut nicht hilfreich – und auch für meine Kollegin nicht.


Solche Situationen begegnen Kommunikator:innen im Joballtag immer wieder. Denn komplexe Themen verständlich zu erklären, gehört zu unserer Kernkompetenz. Aber wie bekommt man Expert:innen dazu, kein Fachchinesisch zu sprechen? Wie wird eine abstrakte Erklärung vorstellbar? Und was macht einen guten Erklärtext überhaupt aus? Dieser Artikel gibt eine Anleitung, wie man komplexe Themen zu verständlichem Content aufbereitet.


 
1. Schritt: Die richtige Vorarbeit aka das Experteninterview


Am Anfang vieler Texte, in dem ein komplexes Thema bearbeitet wird, steht ein Interview mit einem:r Expert:in. Damit man zum Schreiben eines verständlichen Textes später die richtigen Bausteine hat, muss man bereits in diesem Gespräch die richtige Grundlage schaffen.


Die richtigen Fragen stellen  
Viele Fragen, die auf Sacherklärung abzielen, werden zu offen gestellt und lassen einen breiten Interpretationsspielraum. Der Klassiker „Was bedeutet das konkret?“ ist ein gutes Beispiel. Besser: Schon in die Frage einbauen, auf welche Ebene man sich mit der Antwort bewegen will. Das funktioniert besonders gut, indem man vorgibt, für wen man etwas gerne erklärt hätte, also zum Beispiel „Wie würden Sie x meinem 12-jährigen Sohn erklären?“ oder „Was sollten Mitarbeitende über x wissen?“.


Nachhaken, nachhaken, nachhaken
Expert:innen stecken in der Regel sehr tief in ihrem Thema – und damit auch oft in einer speziellen Fachsprache. Besonders jene mit wenig oder keiner Medienerfahrung neigen dazu, wie selbstverständlich mit Fachbegriffen um sich zu werfen. Da hilft nur, freundlich zu unterbrechen und direkt nach der Bedeutung zu fragen.
Oft kommt es zudem vor, dass eine Erklärung trotz einer Erläuterung der Fachbegriffe unverständlich bleibt. In diesem Fall, nicht aus Höflichkeit zur nächsten Frage hüpfen, sondern hartnäckig bleiben und tiefer in die Frage reingehen. Bei einem komplexen Thema darf es auch mal mehrere Anläufe brauchen, bis die Erläuterung so heruntergebrochen ist, dass man als Texter:in damit arbeiten kann.


Anwalt der Zielgruppe
Als Interviewer:in hilft es, sich im Gespräch immer wieder darauf zu berufen, dass man Anwalt der Leser:innen, Zuhörer:innen oder Zuschauer:innen ist. So kann der Experte oder die Expertin ihre Erklärungen dem Wissensstand der Zielgruppe immer wieder anpassen. Oder in die Rolle des Kritikers oder der Skeptikerin schlüpfen. Ein guter Korrekturmechanismus im Gespräch. Was auch hilft: Den Experten oder die Expertin bitten, sein Thema konkret auf den Alltag der Zielgruppe zu beziehen und die Brücke von der Theorie in die Praxis zu schlagen.


Paraphrasieren
Unbedingt den Gegencheck im Gespräch machen. Also das Gesagte des Gegenübers in eigenen Worten wiederholen und fragen, ob man das so richtig verstanden hat. Dabei kann man die Erklärung auch selbst schon etwas vereinfachen und mit dem:r Expert:in überprüfen, inwiefern eine solche Vereinfachung funktioniert, ohne wichtige Inhalte auszulassen. Wenn man selbst einen anschaulichen Vergleich im Kopf hat, den man auf die Erklärung anwenden wollen würde, kann man diesen auch schon mit dem Experten oder der Expertin testen. Was uns bereits zum letzten Punkt von Schritt 1 bringt …


Anschaulich werden
Wir denken stark in Bildern. Besonders, wenn es komplex wird, hilft es unserem Gehirn, wenn wir Prozesse und Zusammenhänge visualisieren können. Daher ist es sinnvoll, in Erklärungen auf Vergleiche und Sprachbilder zurückzugreifen. Wichtig: Die Bilder müssen nah an der Lebensrealität sowohl des Experten oder der Expertin als auch der Zielgruppe sein. Außerdem sollte man abgedroschene Floskeln vermeiden und gerne selbst kreativ werden. Ein ganz praktischer Interview-Tipp, der auch mit Visualisierung zu tun hat, ist zudem, sich Erklärungen aufzeichnen zu lassen. Manchmal helfen schon ein paar grobe Skizzen und Pfeile, damit etwas Abstraktes plötzlich fassbar wird.


2. Schritt: Die richtige Umsetzung aka das komplexe Thema zu verständlichem Content machen


Sind durch Experteninterviews und Kaltrecherche alle wichtigen Informationen gesammelt, kann man sich ans Texten machen. Wer hierbei ein paar kleine Regeln beherzigt, braucht vor komplizierten Themen keine Angst mehr zu haben.


Nicht zu viel auf einmal wollen
Lange, komplizierte Schachtelsätze sind Gift für verständliche Texte. Die Sätze stattdessen kurz und klar halten. Als Faustregel gilt: Nur eine neue Information pro Satz, nur ein neuer Themenaspekt je Absatz.


Alltagssprache benutzen
Auch Kommunikator:innen verfallen gerne mal unbeabsichtigt in Schriftdeutsch. Gut verständliche Texte, Videos oder Podcasts allerdings leben davon, dass sie sich einer Sprache bedienen, die so auch draußen gesprochen wird. Eine besondere Stolperfalle ist hierbei der Nominalstil, also wenn man statt Verben Nomen verwendet. Beispiel: „Die Verzögerung der Bauarbeiten führte zu einer späteren Fertigstellung des Gebäudes.“ So spricht im Alltag keiner. Stattdessen lieber so formulieren: „Da sich die Bauarbeiten verzögerten, wurde das Gebäude erst später fertiggestellt.“  


Zahlen greifbar machen
Seriöse, vor allem wissenschaftliche Texte kommen meist um Zahlen nicht herum, sei es aus Studien oder um Größenverhältnisse zu verdeutlichen. Oft bleiben nackte Zahlen aber abstrakt. Daher bietet es sich an, Vergleiche zu suchen. Wassermengen lassen sich zum Beispiel in Schwimmbädern oder Badewannen messen, große Geldsummen in der Wirtschaftsleistung ganzer Länder.


3. Schritt: Der Realitätscheck


Am Ende sollte man sich den eigenen Text unbedingt nochmal laut vorlesen und sich folgende Fragen stellen: Habe ich wirklich alles verstanden? An welchen Stellen musste ich mich besonders konzentrieren und warum? Lassen sich diese Stellen einfacher formulieren? Kann man den Text noch kürzen? Was sind wirklich notwendige Informationen fürs Verständnis? Schließlich das gleiche Spiel noch einmal mit einem Kollegen oder einer Kollegin wiederholen.

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Geschrieben von Zimmermann Editorial

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