Ein einziges Wort kann darüber entscheiden, ob Menschen einen radikalen oder umsichtigen Weg gehen. Wie das funktioniert, zeigt eine Studie der Stanford Universität. Dabei wurde zwei Gruppen von Proband:innen je ein Text über die wachsende Kriminalität in einer fiktiven Stadt vorgelegt. In einem Text wählten die Forschenden für die Kriminalität die Metapher eines „wilden Tieres“, im anderen die eines „Virus“.
Anschließend sollten die Proband:innen entscheiden, wie man mit der Kriminalität umgehen solle. Das Ergebnis: Wer den Text mit der Tier-Metapher gelesen hatte, sprach sich für harte Strafverfolgung und strengere Gesetze aus. Wer mit der Virus-Metapher konfrontiert wurde, sah die Lösung darin, die Ursachen zu erforschen, Armut zu bekämpfen und Bildung zu verbessern.
Framing: Was ist das und was kann's?
Macht man sich diese Wirkmechanismen von Sprache und Sprachbildern zunutze, sprechen Expert:innen von „Framing“. Obwohl der Begriff auch in der Welt der Unternehmenskommunikation kein Fremdwort ist, bleibt der Eindruck, dass die Wirkmacht der Sprachbilder im Tagesgeschäft kaum bzw. unzureichend genutzt wird. Fast reflexartig werden Umstrukturierungsmaßnahmen als „ein Marathon“ bezeichnet – immer und immer wieder. Das gemeinsame Großprojekt wird zur „Bergbezwingung“, alternativ zu einem neuen Glanzstück des „Corporate Orchester“, bei dem die Mitarbeitenden zu harmonisch zusammenspielenden Musiker:innen mutieren sollen.
Zu den Top Ten der programmatischen Bilder zählen außerdem das Fußballteam, die Segel-Expedition oder der gemeinsame Bau eines neuen Hauses. Nicht selten werden diese Analogien unreflektiert übernommen, sind bereits abgenutzt und gehen vollkommen an der Erlebnis- und Gefühlswelt der Adressaten vorbei. Dabei könnten sie bei richtiger Auswahl mächtige Instrumente im Werkzeugkasten von Kommunikator:innen sein. Denn schon ein einziges Wort, mit dem man ein Thema „framet“, kann Einstellung, Denken und Emotionen massiv beeinflussen. Drei Tipps:
1. Von der Politik lernen
Politiker:innen sind Profis, wenn es um Framing geht. Man denke nur an die „Flüchtlingswellen“, mit denen rechtspopulistische Parteien Ängste schüren, oder den Begriff „Zeitenwende“, mit dem Olaf Scholz gleich einer kompletten Legislaturperiode eine Programmatik gegeben und Deutungshoheit gewonnen hat. Wer eine eigene Sprache für eine Situation findet, der erzeugt Aufmerksamkeit. Warum sind Politiker:innen so gut sind im Framing? Sie müssen sich in einer breiten Masse von Wähler:innen Gehör verschaffen und mit einfachen, prägnanten Worten und Sätzen überzeugen. Auch Kommunikator:innen hilft es, sich häufiger in dieser Rolle zu sehen. Wie würden sie ein Thema „framen“, wenn sie dafür Wahlkampf machen müssten?
2. Keine Plattituden
Schluss mit „Marathon“, Fußballvergleichen und anderen verbrauchten Analogien. Sprachbilder sind vor allem dann wirkungsvoll, wenn sie frisch und neu, gerne etwas mutiger, sind. Nehmen Sie sich Zeit und suchen Sie auch nach Neogolismen, also Wortneuschöpfungen oder Wortkombinationen, die aufmerksamkeitsstark sind. Ob „Gratismentalität“, „merkeln“ oder „Leerdenker“, die deutsche Sprache steckt voller Möglichkeiten, Themen einen Dreh zu geben. Seien Sie kreativ!
3. Weniger ist mehr
Keine Metapher ist besser als eine schiefe oder ausgenudelte Metapher. Im Alltag sind wir schon inflationär von Sprachbildern umgeben. Hören beziehungsweise lesen wir etwas, was wir schon tausend Mal gehört beziehungsweise gelesen haben, ist die Aufmerksamkeit schnell weg.
Wie Framing funktioniert, warum Donald Trump zumindest in einer Hinsicht ein gutes Vorbild ist und wen man auf gar keinen Fall nach einem passenden Sprachbild fragen sollte: Mehr zum Thema Sprachbilder gibt’s in der neuen Folge unseres Agentur-Podcasts „Federführend“. Jetzt außerdem mit neuem Konzept: 3 Kommunikations:expertinnen, 3 Meinungen, 33 Minuten.