„Wir können die Story mit der neuen Software nicht bringen, Chef!“ Kollegin K. konnte ihren Ärger kaum verbergen, und ihr Chef, A., spürte das sofort. „Was ist das Problem?“ K. ließ sich in den Sessel fallen und warf ihm vorher noch den Ausdruck einer Mail auf den Tisch. „Die in der IT sagen, dass wir mit dieser Geschichte ja quasi zugeben, dass das alte System nichts mehr taugte.“ „Aber das stimmt doch“, unterbrach A.
„Das weiß ich auch, aber sie wollen das nicht zugeben, damit würden sie sich ja selbst Inkompetenz eingestehen. Außerdem können wir diesen Entwickler P. nicht als tollen Tüftler darstellen. Das sei Teamwork gewesen, und die von der Compliance und aus HR müssten auch in der Story vorkommen, sonst geben sie das nicht frei. Das ist keine Story mehr, sondern nur noch ein Haufen Mist.“
Storytelling lebt von Geschichten, die Höhen und Tiefen kennen, von Protagonisten, die sich in Konflikten wiederfinden und diese lösen. Es lebt von Emotionen und Spannung, von Zuspitzung und manchmal auch von Übertreibung.
Aber all das wird in oft endlosen Schleifen zwischen Kommunikation und Fachabteilungen immer wieder glattgeschliffen oder gleich ganz gekappt. Wer in der Unternehmenskommunikation kennt das nicht?
Weniger Storytelling? Kein Problem
Zwei Gründe, warum wir viele nicht erzählte Stories in der Internen Kommunikation nicht missen werden.
Erstens: Es war eh zu viel. Aus jedem Kundengewinn sollte eine Kundenstory werden, aus jedem erfolgreichen Projekt eine Erfolgsstory, aus jedem neuen Prozess eine Change-Story. Meist blieb es dann doch nur bei einem szenigen Einstieg und dem dann folgenden Abarbeiten von Ereignissen (in chronologischer Reihenfolge!), Fakten, Daten und dem Zitieren von unverzichtbaren Persönlichkeiten.
Ein nachrichtlicher Text ohne jedes Business-Sprech, auf den Punkt formuliert, wäre in vielen Fällen glaubwürdiger gewesen und hätte im Zweifel mehr Menschen erreicht.
Zweitens: In „Zeiten wie diesen“ sind Geschichten die Kür, die Pflicht ist etwas anderes. In der Automobilindustrie, in der Baubranche, der Chemie, der Finanzindustrie, ja selbst in der IT (SAP!) werden Stellen abgebaut.
Die Gleichzeitigkeit von nachhaltiger und digitaler Transformation, von neuen Arbeitswelten und anhaltender Globalisierung überfordern ohnehin schon viele Mitarbeitende. Und was sonst so in der Zeitung steht über die Ukraine, Gaza und andere Kriegs- und Krisenorte berührt obendrein.
Relevant Content is back
Mitarbeitende brauchen jetzt keine Geschichten, die mit einem Sonnenaufgang beginnen, mit einem Gewitter weitergehen und einem Lächeln enden. Storytelling arbeitet mit diesem Anfang-Konflikt-Happy-End-Zyklus, der nicht nur in Hollywood-Filmen, sondern auch in Change-Stories früherer Tage funktionierte.
Aber diese geschlossenen Stories gibt es in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr. Die Happy End- Stories passen nicht zur jetzt erlebten dauerhaften und fundamentalen Transformation. Um im Bild zu bleiben: Die Hollywood-Streifen werden abgelöst von den Serien, die in immer neuen Staffeln von immer neuen Hürden erzählen, die sich den Helden in den Weg stellen. Ist eine abgeräumt, kommt die nächste.
Relevant Content is back: Komplexität auseinanderlegen und erklären; die großen Entwicklungslinien beleuchten; Widersprüche benennen; den „Helden“ im Unternehmen ernste Fragen stellen; Skepsis und Kritik ernst nehmen und darauf eingehen. Nachrichten. Berichte. Interviews. Bilder. Bewegtbild.
A. nahm die ausgedruckte Mail, faltete in aller Ruhe einen Papierflieger daraus und warf ihn in Richtung K. Der Flieger stieg steil in die Höhe, kippte nach vorn und fiel mit der spitzen Schnauze voraus K. vor die Füße.
„Dann lassen wir es eben“, sagte A. „Viel wichtiger als denen ein Denkmal zu setzen ist eh, dass die Mitarbeitenden die neue Software annehmen. Also machen wir jetzt eine coole Serie mit Tipps und Tricks und fördern so die Akzeptanz der fortschreitenden Digitalisierung.“