Fachbeitrag
16
01
2025

„Der Begriff ‚nachhaltig‘ ist ausgeleiert“

„Grüner Content“ lässt bei einer Transformationsjournalistin die Alarmglocken läuten. Ein Interview über glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation aus der journalistischen Perspektive mit Dr. Tanja Busse.

„Grüner Content“ lässt bei einer Transformationsjournalistin die Alarmglocken läuten. Ein Interview über glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation aus der journalistischen Perspektive mit Dr. Tanja Busse.

Fachbeitrag
16
01
2025

„Der Begriff ‚nachhaltig‘ ist ausgeleiert“

„Grüner Content“ lässt bei einer Transformationsjournalistin die Alarmglocken läuten. Ein Interview über glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation aus der journalistischen Perspektive mit Dr. Tanja Busse.

„Grüner Content“ lässt bei einer Transformationsjournalistin die Alarmglocken läuten. Ein Interview über glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation aus der journalistischen Perspektive mit Dr. Tanja Busse.

„Der Begriff ‚nachhaltig‘ ist ausgeleiert“

Welche Nachhaltigkeitsfloskeln können Sie von Unternehmen gar nicht mehr hören?
Erst einmal das Wort „Nachhaltigkeit“ ohne weitere Erklärung. Zum Beispiel, wenn einfach nur behauptet wird, man biete „nachhaltige Anlagefonds“ an.


Warum schrillen da bei Ihnen die Alarmglocken?

Der Begriff „nachhaltig“ wurde sehr weit gedehnt, quasi ausgeleiert. Oft ist nicht mehr klar, was eigentlich gemeint ist. Und dann werden Dinge behauptet, ohne dass sie überprüfbar sind, um sich damit einen grünen Anstrich zu geben. Noch schlimmer finde ich, wenn Unternehmen sich selbst ausgedachte Gütesiegel verleihen, statt sich von unabhängigen Dritten offiziell zertifizieren zu lassen. Oder wenn auf Produkten steht, dass etwas „ohne x“ produziert wurde, zum Beispiel Shampoos ohne Mikroplastik. Dann frage ich mich: Womit denn dann? Da wird häufig nur Aufmerksamkeit generiert mit einem Begriff, über den gerade alle reden. Besser wäre, alle Inhaltsstoffe offenzulegen.


Wie definieren Sie „Nachhaltigkeit“?

„Nachhaltigkeit“ hat vielfältige ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen. Es ist ein umfassendes Konzept, das ein komplett anderes Wirtschaften meint, eines innerhalb der planetaren Grenzen, das die Mindestarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO einhält und sich trotzdem rechnet -– und das ist in unserem Wirtschaftssystem gerade nur schwer hundertprozentig zu erreichen.


Was hat glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation generell mit Begrifflichkeiten und Sprache zu tun?
Sie hat mit Präzisierungen und Konkretisierung zu tun. Statt von Äpfeln aus nachhaltigem Anbau zu sprechen, sollte man klarstellen, was genau den Anbau der Äpfel nachhaltig macht. Natürlich kann man aus Platzgründen nicht auf jede Packung jedes Detail schreiben. In solchen Fällen lässt sich aber mit QR-Codes auf weitere Informationen verweisen.


Ist Greenwashing immer das Resultat einer bewussten Täuschung?
Man unterschätzt häufig die Komplexität der Anforderungen. Ich glaube aber, da ist in den letzten Jahren viel in Gang gekommen, vor allem durch die neuen gesetzlichen Anforderungen wie das Lieferkettengesetz. Unternehmen verstehen immer mehr, dass sie Verantwortung über die gesamte Lieferkette hinweg übernehmen müssen. Doch nachhaltige Prozesse in jedem Produktionsschritt zu etablieren, ist eine riesige Aufgabe. Transparenz weiß ich als Journalistin immer sehr zu schätzen: Ich finde es glaubhafter, wenn ein Unternehmen auch darüber spricht, was man noch nicht geschafft hat und was schwer ist. Weil jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, dass man gar nicht alles richtig machen kann.


Nachhaltigkeitskommunikation besteht oft aus Meldungen von begrünten Dächern oder den Umstieg auf Recyclingpapier, also kleinen, leicht umsetzbaren Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Was halten Sie von so einer PR?
Da muss man aufpassen. Man würde ja auch als Milliardenkonzern nicht sagen, dass man eine Weihnachtsspende von 2.000 Euro gemacht hat. Das wird schnell lächerlich. Trotzdem soll man die kleinen Schritte nicht kleinreden. Wenn sie eingebettet sind in eine systematische grüne Transformation und extern begleitet werden, kann man auch kleine Schritte kommunizieren - mit der Perspektive einer wirklichen Transformation.


Wann ist der richtige Zeitpunkt, um über Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu sprechen: Schon in der Planung, in der Umsetzung oder nur, wenn ich schon etwas erreicht habe?
Ich warne davor, die Kommunikation hauptsächlich auf das Ankündigen von Zielen auszurichten. Denn sobald die Öffentlichkeit feststellt, es bleiben nur Ankündigungen, ist das Vertrauen verspielt. Ich halte es für sinnvoller, auf einen Kommunikationsmix aus Zielen und konkretem Handeln zu setzen. Wichtig ist: Nachhaltigkeit als Prozess zu verstehen.


Würden Sie sich wünschen, dass Unternehmen mehr oder weniger über Nachhaltigkeit sprechen?
Insgesamt wünsche ich mir schon mehr Kommunikation dazu. Gerade jetzt, wo die Aufmerksamkeit mehr Kriegen oder dem Rechtsruck gilt, finde ich es wichtig, ernsthaft über grüne Transformation zu sprechen. Ich glaube, wenn man mutig kommuniziert und sagt „Hey, wir stecken nicht den Kopf in den Sand, weil die Welt schlecht ist, sondern wir machen die Welt Schritt für Schritt besser“, kann das ein positives Signal sein.
 
Zur Person
Die Journalistin, Moderatorin und Autorin Dr. Tanja Busse hat sich auf die Themen Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Ernährung, Ökologie und Ressourceneffizienz spezialisiert. Sie schreibt freiberuflich unter anderem für die Süddeutsche, Die Zeit und den Freitag. 2015 erschien ihr erstes Buch „Die Wegwerfkuh“. Zuletzt brachte sie mit Christiane Grefe den Titel „Der Grund. Die neuen Konflikte um unsere Böden – und wie sie gelöst werden können“ heraus. Mehr Informationen unter:
www.tanjabusse.de.

Über die Autorin
Über den Autor
Geschrieben von
Geschrieben von Zimmermann Editorial

Aus unserem Magazin

Neue Erzähltechniken oder Trends im Editorial Design – in unserem Magazin beschäftigen wir uns mit Medien und Kommunikation.
Alle Einträge anzeigen
Zimmermann Editorial Feder klein
Cookies

Diese Website verwendet Cookies, um die bestmögliche Benutzererfahrung bieten zu können. Durch die Nutzung unserer Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Sie können Ihre Einstellungen jederzeit ändern. Klicken Sie auf 'Akzeptieren', um fortzufahren, oder auf 'Einstellungen', um Ihre Präferenzen zu ändern.

Einstellungen