Interview
20
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09
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2023

„Es wird besser, sagen wir mal so.“

Menschen in medizinischen Berufen sind Vielredner, aber nicht immer gute Kommunikator:innen. Das weiß auch Sascha Bechmann. Seit Jahren forscht der Professor für Gesundheitswissenschaften und Kommunikation zum Themenfeld medizinische Kommunikation. Seine Diagnose: Trainings allein reichen nicht.
Interview
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2023

„Es wird besser, sagen wir mal so.“

Menschen in medizinischen Berufen sind Vielredner, aber nicht immer gute Kommunikator:innen. Das weiß auch Sascha Bechmann. Seit Jahren forscht der Professor für Gesundheitswissenschaften und Kommunikation zum Themenfeld medizinische Kommunikation. Seine Diagnose: Trainings allein reichen nicht.
„Es wird besser, sagen wir mal so.“

Immer wieder wird gefordert, die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen zu verbessern. Ist die medizinische Kommunikation ein besonders schwieriger Fall in Sachen Kommunikation?
Ich bin mir nicht sicher, ob die medizinische Kommunikation ein besonderer oder schwieriger Fall ist. Tatsache ist, dass es gibt Asymmetrien gibt, die unterschiedliche Interessen in den Gesprächen widerspiegeln.

Und da es nun mal unterschiedliche Interessen gibt, ist ein Austausch auf Augenhöhe nicht möglich?
Die meisten Patient:innen wollen auf Augenhöhe mit dem medizinischen Personal kommunizieren. Aber es gibt Barrieren, in den Köpfen vieler Ärzt:innen – und in denen der Patient:innen. Das hat etwas mit gelehrter und gelernter Praxis zu tun. Umfragen bestätigen, dass viele Mediziner:innen der Meinung sind, sie müssten in Patientengesprächen möglichst viel Fachinformationen kommunizieren, was aber gar nicht stimmt.

Wie kommen diese Fachinformationen bei den Patient:innen an?
Patient:innen erleben diese Gespräche oft negativ. Sie nehmen eine passive Rolle ein und denken zum Beispiel, dass sie nur auf Fragen antworten, aber nicht selbst Fragen stellen dürfen.

Welche weiteren Hindernisse stehen einer besseren Kommunikation im Weg?
Ein Grund ist, dass ältere Ärzt:innen dies in ihrem Studium nicht gelernt haben. Ein zweiter Grund ist die Fokussierung auf medizinische Fakten. Dieser biomedizinische Fokus wirkt sich auf das gesamte Verhältnis von ärztlichem Personal und Patient:innen aus. Einfach gesagt, in den Köpfen der Mediziner:innen werden Patient:innen auf ihre Symptome reduziert.

Ist das schlecht?
Natürlich sind Ärzt:innen und Pflegekräfte sehr daran interessiert, dass es den Menschen, die sie behandeln, gut geht. Dennoch gibt es diese Fokussierung auf die medizinischen Fakten. Auf einer Krankenhausstation kann man das jeden Tag erleben. Da wird oft nicht über Herrn oder Frau Müller in Zimmer drei gesprochen, sondern über den Schlaganfall oder die Hüfte in Nummer drei. Da spiegelt sich das Denken in biomedizinischen Dimensionen wider.

Diese professionelle Distanz hat sicher auch ihre Vorteile?
Unbestritten hat diese traditionelle medizinische Kommunikation auch ihre Stärken. Aber eben auch ihre Schwächen. Sprache lässt sich in dieser Form leicht dazu benutzen, bewusst Grenzen zu ziehen und Hierarchien abzubilden. Bis zu einem gewissen Grad ist es auch verständlich, dass sich Ärzt:innen hinter einer Fachsprache verstecken, um die Dinge nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen.

Sie erforschen schon seit Jahren Kommunikation im Gesundheitswesen. Welche typischen Fehler sind Ihnen aufgefallen?
Bei der Analyse der Interviews lassen sich oft bestimmte Wendepunkte erkennen. Die Ärzt:innen folgen oft einem Fragemuster, und wenn eine Antwort nicht zur Frage passt, wird nicht nachgefragt, sondern das Muster wird weiter verfolgt. Die Folge ist, dass das Gespräch kippt. Als Patient habe ich das Gefühl, mein Gegenüber nimmt gar nicht wahr, was ich sage. Er oder sie hat nur das Abfrageschema im Kopf.
Viele Ärzt:innen steigen richtig in die Gespräche ein, schaffen eine offene Gesprächsatmosphäre, indem sie die Patient:innen ermutigen, von sich zu erzählen. Aber wenn sie dann anfangen zu erzählen, werden sie sehr schnell unterbrochen. Das ist nicht nur unhöflich, sondern auch ein Gesprächskiller. Interessanterweise kommen die Patient:innen später oft auf diesen Punkt zurück. Es ist ein typisches Türklinken-Phänomen: Ärzte wollen Gespräche kurz halten, weil sie unter Zeitdruck stehen, und fallen ihren Patienten ins Wort. Bevor diese die Gesprächssituation verlassen, bringen sie ihre Frage doch noch vor, und der Termin dauert insgesamt länger, als wenn man sie vorher hätte ausreden lassen.

Kommunikation lernen Menschen in medizinischen Berufen mittlerweile im Studium. Ist es also nur noch eine Frage, bis das Kommunikationsproblem der Vergangenheit angehört?
Seit 2012 ist ärztliche Kommunikation in der Approbationsordnung verankert. Ausgehend von Modellcurricula gibt es inzwischen eigentlich an jeder deutschen Universität Ausbildungskonzepte in Kommunikation. Es wird auf jeden Fall besser, sagen wir mal so.

Sie klingen nicht überzeugt.
Kommunikation beschränkt sich nicht auf die Ebene zwischen Arzt und Patient. Auch die anderen Ebenen der medizinischen Kommunikation, zum Beispiel zwischen Ärzt:innen und Pflegepersonal, müssen berücksichtigt werden. Viele Gespräche müssten Ärzt:innen gar nicht führen, wenn die Verzahnung zwischen den Professionen besser wäre. Dies würde sich dann auch positiv auf die Kommunikation mit Patient:innen und Angehörigen auswirken. Die Stärkung der interprofessionellen Zusammenarbeit wäre daher ein wichtiger Schritt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert dies bereits seit 2010.

Mit Kommunikationstrainings allein ist das nicht zu schaffen ...
Nein, das lässt sich umsetzen, indem Pflege und Medizin gemeinsam in einem hochschulischen Kontext ausgebildet werden: Stichwort Akademisierung der Gesundheitsberufe. Solche interdisziplinären Ausbildungsstätten für Ärzt:innen, Pflege- und Therapieberufe gibt es bereits in der Schweiz und in skandinavischen Ländern. Dort wird auch besser interprofessionell kommuniziert.

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Geschrieben von Zimmermann Editorial

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